Wegeunfall: Es zählt nicht nur der schnellste Weg
In einer Pressemitteilung vom 24.10.2014 teilt das Sozialgericht (SG) Heilbronn mit, das ein am 23.07.2014 verkündetes Urteil, mit dem einem Arbeitnehmer aufgrund eines Wegeunfalls Leistungen aus der Unfallversicherung zugesprochen wurden, in Rechtskraft erwachsen ist. Die Leistungen waren dem Verunfallten durch die zuständige Berufsgenossenschaft verweigert worden.
Was war geschehen?
Der im Kreis Ludwigsburg wohnende Kläger war im Februar 2013 zu Fuß zu einer mehr als einen Kilometer entfernten Bushaltestelle unterwegs um von dort aus zur Arbeit zu fahren. Beim Überqueren des Zebrastreifens wurde er von einem Auto erfasst und auf den Gehweg geschleudert, wobei er sich mehrfach den rechten Unterschenkel brach.
Die beklagte Berufsgenossenschaft lehnte den Wegeunfall als Arbeitsunfall ab. Begründet wurde die Nichtanerkennung damit, dass der Kläger nicht den unmittelbaren Weg zur Arbeit genommen habe, da er von einer nur knapp 300 Meter von seinem Wohnsitz entfernt liegenden Bushaltestelle zur Arbeitsstelle hätte fahren können.
Argumente der Berufsgenossenschaft greifen nicht – Sozialgericht gibt Klage statt!
Die hiergegen gerichtete Klage hatte jetzt Erfolg. Die beklagte Berufsgenossenschaft wurde durch das erkennende Gericht zu verpflichtet, den Unfall auf dem Zebrastreifen als Arbeitsunfall anzuerkennen. Der Kläger, so das SG, hätte zwar schneller von der deutlich näheren Haltestelle mit dem Bus zur Arbeit fahren können. Die Gesamtwegstrecke sei jedoch bei beiden Varianten ungefähr gleich. Im Übrigen könne ein Versicherter sein Fortbewegungsmittel frei aussuchen. Auch müsse er nicht grundsätzlich die schnellste Fortbewegungsart wählen, um auf seinem Weg zur Arbeit gesetzlich unfallversichert zu sein.
Dass sich der Kläger aufgrund seiner Herzerkrankung täglich bewegen muss und deshalb den Weg zur Arbeit mit einem Spaziergang zu der weiter entfernten Bushaltestelle habe verbinden wollen, ändere nichts daran, dass er am Unfallmorgen unmittelbar zum Ort der Beschäftigung habe gelangen wollen. Aus diesem Grunde ist auch der Weg zu der entfernteren Bushaltestelle als Arbeitsweg anzusehen.
Berufsgenossenschaft von der Entscheidung des Sozialgerichts offenkundig überzeugt.
Die von dem SG Heilbronn entschiedene Sache überzeugte offenkundig auch die BG, die dem Kläger die Anerkennung des Wegeunfalls als Arbeitsunfalls im vorgerichtlichen Verfahren verweigert hatte. Denn wie aus der Pressemitteilung des SG Heilbronn ersichtlich, akzeptierte die Beklagte die für den Kläger günstige Entscheidung und sah davon ab, in die Berufung vor das Landessozialgericht Baden-Württemberg zu gehen. Eine durchaus vernünftige Entscheidung!
Anmerkung: Gesamtwegstrecke ist entscheidend, unabhängig vom Fortbewegungsmittel
Es ist grundsätzlich Sache der Arbeitnehmer*innen darüber zu entscheiden, in welcher Weise sie sich auf den Weg zu ihrer Arbeitsstätte begeben.
Ereignet sich ein Unfall auf einem etwas längeren Weg zu einer entfernter liegenden Bushaltestelle, um von dort den Bus zur Arbeit zu nehmen, ist ein Wegeunfall auch dann als Arbeitsunfall anzuerkennen, wenn es auch eine etwas näher gelegene Bushaltestelle gibt.
Zu vergleichen ist die Gesamtwegestrecke von der Wohnung bis zur Arbeitsstelle. Der Versicherte kann sich das Fortbewegungsmittel selbst auswählen. Hieraus ergibt sich, dass der Weg zur Arbeit zum Beispiel auch mit dem Fahrrad, dem Alu-Roller „Scooter“ , dem Skateboard oder Inlineskates gesetzlich unfallversichert ist sofern die Gesamtwegstrecke im Vergleich zu der üblichen Wegstrecke ungefähr gleich ist.
Hans-Martin Wischnath, Onlineredakteur, Frankfurt am Main
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Pressemitteilung des Sozialgerichts Heilbronn v. 23.10.2014
Vollständiges Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 23.07.2014 – Az.: S 13 U 4001/13