Ein Sturz im Hotelzimmer während einer Dienstreise kann nicht als Arbeitsunfall anerkannt werden.
Ein Sturz im Hotelzimmer während einer Dienstreise kann nicht als Arbeitsunfall anerkannt werden.

In seiner Entscheidung vom 5. November 2015 kam das Sozialgericht (SG) Düsseldorf zu dem Ergebnis, dass ein Arbeitnehmer, der während einer Dienstreise im Hotelzimmer stürzt, keinen Anspruch auf Leistungen der zuständigen Berufsgenossenschaft (BG) hat. Denn, so die Düsseldorfer Sozialrichter*innen, der von dem 60 jährigen Kläger erlittene Sturz könne nicht als Arbeitsunfall qualifiziert werden. Der innere oder sachliche Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit des Klägers als Ingenieur bei seinem Unfall sei nicht gegeben  gewesen.

Mit dieser Begründung wies das Gericht die gegen die BG gerichtete Klage ab.

Verunfallter begehrt Anerkennung als Arbeitsunfall

Der Kläger befand sich im Rahmen seiner Tätigkeit als Diplom-Ingenieur auf einer Dienstreise und übernachtete im Februar 2014 im Radisson Blu Hotel in Lübeck. Gegenüber der BG machte er einen Arbeitsunfall während der Dienstreise geltend. Er sei nachts in seinem Hotelzimmer aufgestanden, um zur Toilette zu gehen. Hierbei habe er sich mit beiden Füßen im Bettüberwurf verhakt und sei dabei rückwärts gestürzt. 

Die Folge des Sturzes war der Bruch eines Wirbelkörpers.

Berufsgenossenschaft verweigert Anerkennung als Arbeitsunfall

Die BG lehnte eine Entschädigung ab, da das nächtliche Aufstehen dem sogenannten eigenwirtschaftlichen Bereich zuzuordnen sei. Einer derartigen Sturzgefahr sei man auch in seinem privaten Lebensbereich regelmäßig ausgesetzt. 

Der Kläger wandte sich mit dem Argument dagegen, dass er sich bei Dienstreisen in unbekannter Umgebung aufhalte und hiermit eine besondere Gefahr verbunden sei.

Verunfallter erhebt Klage beim Sozialgericht

Nachdem sein Antrag auf Anerkennung eines Arbeitsunfalls erfolglos blieb, erhob er am 29.08.2014 Klage beim SG Düsseldorf. Diese begründete er damit, dass es sich bei Übernachtungen in ständig wechselnden Hotelzimmern auf Dienstreisen gerade deshalb um eine aus der Dienstreise resultierende Gefahr gehandelt habe, weil er sich hier in einer unbekannten Umgebung aufhalte. Jedes Zimmer sei anders, was auch für die zur Verfügung gestellten Decken, Federbetten und Bettüberwürfe gelte.

Sozialgericht: Kein innerer Zusammenhang mit versicherter Tätigkeit-Klageabweisung

Der Argumentation des Klägers vermochte das SG Düsseldorf nicht zu folgen, da der Unfall keinen inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit gehabt habe. Die Nachtruhe im Hotelzimmer und die damit zusammenhängenden Verrichtungen würden grundsätzlich nicht mehr zum vom Versicherungsschutz umfassten Bereich gehören. Eine Ausnahme sei nicht ersichtlich. Wenn ein Unfall durch eine gefährliche Einrichtung ausgelöst werde, die der Versicherte wegen eines auswärtigen Dienstgeschäftes benutzen müsse, dann könne es sich um einen Arbeitsunfall handeln. Die Toilette oder der Bettüberwurf würden jedoch keine gefährliche Einrichtung des Hotelzimmers darstellen, selbst wenn der Kläger bei sich zu Hause keinen Bettüberwurf benutze.

  • Die Entscheidung des SG Düsseldorf ist rechtskräftig.


Anmerkung:


Unstreitig ereignete sich der Unfall des Klägers während einer Dienstreise, bei der er als Beschäftigter grundsätzlich versichert ist, sodass man zunächst davon ausgehen konnte, dass für die Folgen des nächtlichen Sturzes die Berufsgenossenschaft einzutreten hat. 

Da die zum Unfall führende konkrete Verrichtung – der Gang zur Toilette des Hotelzimmers – jedoch in keinem rechtlich erheblichen Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit des Klägers stand, wies das SG Düsseldorf, unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), die Klage ab. 

Die Richter*innen der 31. Kammer des Düsseldorfer SG führten unter Hinweis auf die BSG-Rechtsprechung aus, dass allein die Durchführung einer Dienstreise, entgegen dem klägerischen Vortrag für sich alleine zur Begründung eines rechtlich bedeutsamen inneren Zusammenhanges mit der versicherten Tätigkeit nicht ausreiche. Ein derartiger Zusammenhang werde zwar am Ort der auswärtigen Beschäftigung oftmals eher anzunehmen sein als am Wohn- oder Betriebsort. Doch gebe es keinen lückenlosen Versicherungsschutz auf Geschäftsreisen mit der Erwägung, dass der Reisende gezwungen ist, sich an einem fremden Ort in einer fremden Umgebung aufzuhalten.

Im Lichte der höchstrichterlichen Rechtsprechung erscheint das Urteil des SG Düsseldorf vom 05.11.2015 beanstandungsfrei. Das mag wohl auch Anlass dafür gewesen sein, dass der Kläger nicht Berufung gegen die Entscheidung einlegte, sodass diese nunmehr in Rechtskraft erwachsen ist.

Rechtsprechung des Bundessozialgerichts wirft Frage auf

Andererseits bestehen diesseits Bedenken dagegen, dass Arbeitnehmer*innen, die häufig Dienstreisen zu versehen haben, dann kein Versicherungsschutz zur Seite stehen soll, wenn sie an fremden Orten und in fremder Umgebung zu Schaden kommen.

Nach der Rechtsprechung des BSG besteht während des Aufenthalts in der betrieblichen Toilettenanlage grundsätzlich kein Unfallversicherungsschutz. Wohl aber, so die BSG-Richter*innen, besteht Versicherungsschutz auf dem Weg zu einem Ort in der Betriebsstätte, an dem die Notdurft verrichtet werden soll. Dies weil der Versicherte durch die Anwesenheit auf der Betriebsstätte gezwungen ist, seine Notdurft an einem anderen Ort zu verrichten, als er dies von seinem häuslichen Bereich aus getan hätte. 

Wenn aber nun nach der Rechtsprechung des BSG Versicherungsschutz auf dem Weg zur Toilette im Betrieb besteht (da die „Notdurft an einem anderen Ort zu verrichten ist, als er dies von seinem häuslichen Bereich getan hätte“), so sei eine Frage erlaubt: 

Warum wird dieser Schutz Arbeitnehmer*innen versagt, die häufig auf Dienstreisen sind und im Rahmen dieser dienstlichen Tätigkeiten verpflichtet sind, ihre Notdurft an ständig wechselnden Orten zu verrichten, die ihnen weniger vertraut sind, als dies bei Arbeitnehmer*innen der Fall ist, die arbeitstäglich die betrieblichen Toiletten aufsuchen und auf dem Weg dorthin oder von dort, verunfallen und Versicherungsschutz genießen?

Die vollständige Entscheidung des Sozialgerichts Düsseldorf (Urteil vom 05.11.2015 - S 31 U 427/14) können sie hier nachlesen