Das Landessozialgericht Hessen gab einem Beschäftigten Recht, der gegen die Berufsgenossenschaft auf Anerkennung eines Wegeunfalls und Entschädigung geklagt hatte.
Hausmeister stürzt in eisglatter Einfahrt
Der in Hanau wohnhafte Kläger war als Hausmeister angestellt. Als er morgens mit seinem Pkw zur Arbeit fahren wollte, öffnete der 64jährige das Hoftor auf seinem Grundstück und fuhr den Pkw aus dem Hof heraus.
Dann stieg er aus dem Auto aus, um das Hoftor zu schließen. Dabei rutschte er auf der vereisten Fahrbahn aus und erlitt eine schwere Schulterverletzung. Die beklagte Berufsgenossenschaft lehnte eine Entschädigung ab.
Der Versicherte habe den Weg zur Arbeit aus privaten Gründen unterbrochen, so dass es sich nicht um eine versicherte Tätigkeit handele. Da er das Hoftor nicht „im Vorbeigehen“ oder „ganz nebenher“ habe schließen können, sei die Unterbrechung auch nicht geringfügig.
Landessozialgericht: Weg zum Hoftor ist unfallversichert
Die Richter gaben dem Kläger Recht und verurteilten die Berufsgenossenschaft, den Unfall als Wegeunfall anzuerkennen. Der Unfallversicherungsschutz bestehe nicht nur bei der Arbeit selbst, sondern auch auf dem unmittelbaren Weg von und zur Arbeit, weil ein Bezug zur Arbeit selbst bestehe. Der versicherte Weg zur Arbeit beginne mit dem Durchschreiten der Außentür des Wohngebäudes.
Daran ändere sich auch nichts, wenn der Beschäftigte, wie hier, den Weg zur Arbeit nur kurzzeitig unterbreche. Als der Kläger den Wagen verlassen habe, um das Hoftor zu schließen, habe er damit den Weg zur Arbeit nur geringfügig unterbrochen.
Die Richter werteten das Schließen des Hoftors nur als eine „eingeschobene Verrichtung“, die im inneren Zusammenhang mit dem Arbeitsweg stehe. Der Weg vom Auto zum Hoftor habe nur wenige Meter betragen, so dass das Schließen des Hoftores einschließlich Hin- und Rückweg vom und zum Auto in weniger als 30 Sekunden beendet gewesen wäre.
Anmerkung
Es ist immer wieder interessant, mit welchen Winkelzügen die Berufsgenossenschaften ihren Versicherten die begehrte Anerkennung eines Arbeitsunfalls verwehren. Es ist geradezu lebensfremd, im vorliegenden Fall eine Unterbrechung des Weges anzunehmen.
Wie das Gericht richtig ausführt, gehört es zu der täglichen Routine des Klägers, morgens das Hoftor zu öffnen, den Wagen herauszufahren und dann das Hoftor wieder hinter sich zu schließen, um dann zur Arbeit zu fahren. Und dies in einem Zeitraum von höchstens 30 Sekunden.
Dabei ist das Unfallversicherungsrecht durchaus streng. Wenn der Kläger nicht das Hoftor geschlossen hätte, sondern zum Haus zurückgegangen wäre, weil er dort etwas vergessen hatte, dann wäre dieser Weg schon nicht mehr versichert gewesen. Gleiches gilt für die diversen Unterbrechungen auf dem Heimweg, um „nur mal eben“ etwas zu erledigen.
Auch wenn also die gesetzlichen Vorgaben streng sind und die Bewilligungspraxis der Berufsgenossenschaften noch strenger ist: In manchen Fällen lohnt es sich durchaus, sein Recht auf dem Klagewege einzufordern.
Pressemitteilung des Landessozialgerichts Darmstadt Urteil vom 26.04.2016 - AZ L 3 U 108/15
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Im Praxistipp: Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung § 7 Begriff + § 8 Arbeitsunfall
Rechtliche Grundlagen
Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung § 7 Begriff + § 8 Arbeitsunfall
Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254)
§ 7 Begriff
(1) Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten.
(2) Verbotswidriges Handeln schließt einen Versicherungsfall nicht aus.
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Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254)
§ 8 Arbeitsunfall
(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen.
(2) Versicherte Tätigkeiten sind auch
1. das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit,
2. das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges, um
a) Kinder von Versicherten (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wegen ihrer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner beruflichen Tätigkeit fremder Obhut anzuvertrauen oder
b) mit anderen Berufstätigen oder Versicherten gemeinsam ein Fahrzeug zu benutzen,
3. das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges der Kinder von Personen (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wenn die Abweichung darauf beruht, daß die Kinder wegen der beruflichen Tätigkeit dieser Personen oder deren Ehegatten oder deren Lebenspartner fremder Obhut anvertraut werden,
4. das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges von und nach der ständigen Familienwohnung, wenn die Versicherten wegen der Entfernung ihrer Familienwohnung von dem Ort der Tätigkeit an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft haben,
5. das mit einer versicherten Tätigkeit zusammenhängende Verwahren, Befördern, Instandhalten und Erneuern eines Arbeitsgeräts oder einer Schutzausrüstung sowie deren Erstbeschaffung, wenn diese auf Veranlassung der Unternehmer erfolgt.
(3) Als Gesundheitsschaden gilt auch die Beschädigung oder der Verlust eines Hilfsmittels.