Wer in einen Minijob wechselt, kann viel Geld sparen. Aber diese Einsparungen können am Ende richtig teuer werden.
Wer in einen Minijob wechselt, kann viel Geld sparen. Aber diese Einsparungen können am Ende richtig teuer werden.


Frau Neumann arbeitet schon seit zehn Jahren etwa 17,5 Stunden wöchentlich, insgesamt 75 Stunden im Monat zu 10 € brutto in einem kleinen Einzelhandelsgeschäft. Sie verdient um die 750 € brutto im Monat.
 

Steuern und Sozialabgaben mindern den Lohn

 
Da ihr Ehemann in Vollzeit arbeitet und - wie immer in dieser Konstellation - die Steuerklasse 3 hat, ist sie als Ehefrau in die schlechtere, höherbelastete Steuerklasse 5 eingestuft. Von ihrem Brutto bleiben ihr nach Abzug von Steuer und Sozialabgaben gerade mal knapp 500 € netto.
 
Beim Steuerberater beklagen die Neumanns ihre hohen Abzüge. Da rechnet dieser schnell vor, dass Frau Neumann Steuern und die Beiträge für die Krankenkasse und die Arbeitslosenversicherung spart, wenn sie nur noch geringfügig arbeiten würde.
 
Sie müsste dafür 40 % weniger arbeiten und erhielte gerade mal 50 € netto weniger. 30 Stunden weniger arbeiten und fast das gleiche Netto, damit ist Frau Neumann einverstanden. Sie spricht sofort ihren Chef an, der damit einverstanden ist. Ab dem nächsten Monat wird das Teilzeitarbeitsverhältnis umgewandelt in einen Minijob.
 

Rentenversicherung im Minijob sinnvoll?

 
Minijobs unterliegen seit 2013 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Arbeitgeber zahlen für ihre Minijobber einen Pauschalbeitrag. Die Minijobber selbst zahlen zusätzlich einen Eigenbeitrag. Dadurch kommen sie in den Genuss des vollen Schutzes der gesetzlichen Rentenversicherung. Auf Antrag können sich Minijobber von der Zahlung des Eigenbeitrags befreien lassen.
 
Frau Neumann wird also gefragt, ob sie auf einen Rentenbeitrag verzichten wolle. Frau Neumann will hier nichts riskieren und bleibt in der Rentenversicherung. Der Eigenbetrag beträgt 3,7 %, für sie also 16,65 monatlich.
 
Und dann passierte es: Sie stolpert zu Hause über das Hundespielzeug. Was zunächst wie eine Verstauchung aussieht, stellt sich später als Fußbruch heraus, der einfach nicht richtig heilen will. Welche Rechte stehen ihr zu?
 

Auch beim Minijob Anspruch auf Lohnfortzahlung gegen den Arbeitgeber

 
Es muss einfach noch einmal betont werden: Minijobs sind auch Teilzeitarbeitsverhältnisse mit den gleichen Rechten und Pflichten wie Vollzeitarbeitsverhältnisse. Ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer darf wegen der Teilzeitarbeit nicht schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer, es sei denn sachliche Gründe rechtfertigen eine Ungleichbehandlung.
 
Dennoch berichten Minijobbern immer wieder, dass ihnen nur die Stunden bezahlt werden, die sie auch tatsächlich arbeiten. Sie also kein Geld bei Krankheit und keinen bezahlter Urlaub erhalten.
 
Solche Arbeitgeber verhalten sich rechtswidrig und das betrifft nicht nur die Beschäftigten in irgendwelchen Privathaushalten. Es gibt keinen sachlichen Grund Lohnfortzahlung an Minijobber, die die Krankheit genauso nachweisen müssen wie andere Arbeitnehmer, nicht zu zahlen.
 
Der Arbeitgeber von Frau Neumann zahlt anstandslos die sechs Wochen Lohnfortzahlung. Aber was dann?
 

Kein Anspruch auf Krankengeld

 
Der Fuß will einfach nicht heilen und muss sogar noch operiert werden. Krankenversichert ist Frau Neumann über ihren Ehemann seit sie Minijobberin ist. Die Behandlungskosten sind also nicht das Problem.
 
Wäre der Unfall vor dem Wechsel in den Minijob passiert, hätte sie jetzt Anspruch auf Krankengeld für maximal 78 Wochen (abzüglich der sechs Wochen, die der Arbeitgeber gezahlt hat). Beim Minijob werden aber keine Beiträge für die Krankenversicherung gezahlt, das war Teil der Sparberechnung des Steuerberaters.
 
Die Folge ist teuer: Denn Frau Neumann erhält kein Krankengeld. Schon nach zwei Monaten bereut Frau Neumann ihren Wechsel in den Minijob, denn es reiht sich eine Komplikation an die andere.
 

Übergangsgeld und Reha durch Eigenanteil zur Rentenversicherung

 
Der Arzt rät ihr zu einer Kur. Zum Glück hat sie wenigstens nicht auf die Rentenversicherung verzichtet. Minijobber können durch die Zahlung des Eigenbeitrags Anspruch auf eine medizinische Rehabilitation erwerben, wenn mindestens sechs Beitragsmonate einer Beschäftigung aus den letzten zwei Jahren vor einem Reha-Antrag angerechnet werden können.
 
Die 16,65 € Monatsbeitrag waren also gut angelegt. Die Rentenversicherung hat ihr eine vierwöchige Reha bewilligt und zahlt auch das Übergangsgeld.
 
Die Reha hat leider noch nicht den gewünschten Erfolg. Frau Neumann ist weiter arbeitsunfähig. Nach über einem Jahr verliert der Arbeitgeber die Geduld und kündigt das Arbeitsverhältnis ordentlich unter Einhaltung der Kündigungsfrist.
 

Kündigungsschutzgesetz gilt auch für Minijobber

 
Frau Neumann will sich das nicht gefallen lassen. Das Kündigungsschutzgesetz gilt grundsätzlich auch für Minijobber. Aber auch als Vollzeitkraft hätte sich Frau Neumann hier nicht erfolgreich wehren können. Das Kündigungsschutzgesetz gilt nämlich nicht in Kleinbetrieben mit unter zehn Vollzeitmitarbeitern.
 
Das kleine Geschäft gehört zu keiner Kette und hat nicht so viele Beschäftigte. Eine Klage kann also keinen Erfolg haben. In Kleinbetrieben will der Gesetzgeber keine Überprüfung des Kündigungsgrundes auf soziale Rechtfertigung. Auch lange Krankheit kann ein Kündigungsgrund sein, doch schon nach einem Jahr die Geduld verlieren, das würde wohl noch nicht ausreichen, damit die Kündigung sozial gerechtfertigt ist.
 
Wars das? Muss der Arbeitgeber gar nichts zahlen? Durch die Krankheit konnte Frau Neumann ja ihren Urlaub nicht nehmen.
 

Auch beim Minijob Anspruch auf bezahlten Urlaub

 
Wenn nichts im Arbeitsvertrag dazu steht und auch kein Tarifvertrag gilt, regelt das Gesetz die Ansprüche. Nach dem Bundesurlaubsgesetz stehen Frau Neumann auch als Minijobberin vier Wochen Jahresurlaub zu.
 
Sie konnte diesen Urlaub durch die Arbeitsunfähigkeit nicht nehmen, ihr steht daher für diese Tage ein Urlaubsabgeltungsanspruch zu.
 
Der Arbeitgeber erstellt eine Schlussabrechnung, er berechnet den Abgeltungsanspruch 450 € monatlich geteilt durch 21,5 Arbeitstage x 20 (4 Wochen Urlaub berechnet in der 5 Tage Woche) = 418,60 und zahlt Frau Neumann diesen Betrag aus.
 
Er hat auch ein Arbeitszeugnis erteilt und das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß abgewickelt. Damit ist hier alles korrekt gelaufen. Auch der Fuß funktioniert endlich wieder soweit, dass Frau Neumann neue Arbeit sucht.
 

Kein Anspruch auf Arbeitslosengeld

 
Mittlerweile ist die Zeit, in der Frau Neumann Beiträge gezahlt hat, über eineinhalb Jahre her. Die Beiträge, die sie von ihrem Bruttolohn gezahlt hat, wirken nicht ewig fort. Wer sich aus dem System für eine zu lange Zeit verabschiedet, dem stehen irgendwann keine Leistungen mehr zu. Egal, ob diese Zeit im Minijob gearbeitet wurde, oder gar nicht.
 
Anspruch auf Arbeitslosengeld hat nur, wer in den letzten zwei Jahren vor der Arbeitslosmeldung und dem Beginn der Arbeitslosigkeit (Rahmenfrist) mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis stand. Nur dann ist die sogenannte Regelanwartschaftszeit erfüllt.
 
Frau Neumann kommt höchstens auf ein halbes Jahr, weil sie seit eineinhalb Jahren keine Beiträge mehr eingezahlt hat. Diese Beiträge einzusparen, waren ja ein Teil des Sparplanes. Weil sie die Anwartschaftszeit nicht erfüllt, hat sie keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld.
 
Frau Neumann findet aufgrund eigener Initiative wieder einen sozialversicherungspflichtigen Job. Jetzt ist sie wieder Teil des Systems zahlt Beiträge und kann auch Leistungen beanspruchen, wenn sie wieder arbeitslos wird. Aber was ist, wenn Frau Neumann gar nicht mehr arbeiten kann?
 

Versicherungsrechtliche Voraussetzung für eine Erwerbsminderungsrente

 
Wer nicht mehr arbeitsfähig ist, der hat Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung. Hat ihr Sparen Frau Neumann jetzt auch noch die Möglichkeit genommen eine Erwerbsminderungsrente zu erhalten? Zum Glück nicht!
 
In den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung müssen mindestens drei Jahre mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit vorliegen (besondere versicherungsrechtliche Voraussetzung). Weil sie weiter in die Rentenversicherung eingezahlt hat, ist sie hier auf der sicheren Seite, egal welchen Zeitraum der Rentenversicherer als Versicherungsfall annimmt.
 
Andernfalls wäre die versicherungsrechtliche Voraussetzung bereits nicht mehr gegeben, wenn dieser Zeitpunkt mehr als zwei Jahre nach dem Beginn des Minijobs liegt.
 
Streitig ist bei der Erwerbsminderungsrente meist, ob die Krankheiten wirklich dazu führen, dass auch keine leichten Tätigkeiten mehr als sechs Stunden täglich verrichtet werden können. Wenn aber die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen schon nicht vorliegen, gibt es auch keine vorgezogene Rente.
 

Fazit:

 
Diese wohlmeinenden Ratschläge hört man öfter: „Das kannst Du dir doch sparen“. Aber sparen kann teuer sein, wie hier beschrieben. Man sollte genau hinschauen, was man sich spart und wo dabei Risiken lauern. Wer durch den Wechsel in einen Minijob Sozialversicherungsbeiträge spart, der verliert seine Ansprüche auf:
 

  • Krankengeld, wenn er länger als sechs Wochen krank ist
  • Reha-Leistungen der Rentenversicherung
  • Arbeitslosengeld
  • Erwerbsminderungsrente

 
Leistungen von Sozialversicherungsträgern gibt es nicht zum Nulltarif. Das ist ähnlich wie im übrigen Leben. Jedem leuchtet ein, dass man nicht erst das Auto gegen den Baum fahren und es dann nachträglich Vollkasko versichern kann.
 
Beiträge haben ihren Sinn, sie sollen Risiken abdecken. Der Gewerkschaftsbeitrag sichert einem dabei unter anderem den kostenlosen Rechtsschutz bei arbeits-und sozialrechtlichen Auseinandersetzungen von Beratung bis zur Prozessvertretung. Wenn es sein muss, durch alle Instanzen.


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