Wer arbeitsunfähig ist, muss dafür sorgen, dass die Ausfertigung für die Krankenkasse dort innerhalb einer Woche vorliegt.
Wer arbeitsunfähig ist, muss dafür sorgen, dass die Ausfertigung für die Krankenkasse dort innerhalb einer Woche vorliegt.


Für den Anspruch auf Krankengeld müssen Versicherte die Arbeitsunfähigkeit zunächst ärztlich feststellen lassen. Sodann hat eine Meldung gegenüber der Krankenkasse zu erfolgen. Beides gehört zu den sogenannten Obliegenheiten des Versicherten, also zu seinen gesetzlichen Aufgaben und Pflichten. 

AU-Bescheinigung muss innerhalb einer Woche bei der Krankenkasse sein

Für beides darf man sich nicht zu viel Zeit lassen. Denn der Anspruch auf Krankengeld ruht, solange die Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse nicht gemeldet wird. Dieses Ruhen entfällt nur dann, wenn innerhalb einer Woche, nachdem man krank geworden ist, die ärztliche Bescheinigung bei der Krankenkasse eingeht. Geht die Bescheinigung später ein, gibt es erst Krankengeld ab dem Tag des Zugangs bei der Krankenkasse. 

Und wenn die AU-Bescheinigung auf dem Postweg verloren geht oder die Zustellung länger als normal dauert? Dieses Risiko tragen nach der Rechtsprechung die Versicherten. Der Postweg ist deshalb nicht immer der beste. 

Arzt händigte Formular zur Vorlage bei der Krankenkasse nicht an die Versicherte aus

In Einzelfällen erkennen die Gerichte Ausnahmen an. So auch das Sozialgericht Detmold im ersten der beiden Fälle. Hier hatte der Arzt die AU-Bescheinigung nicht der Klägerin ausgehändigt, sondern selbst an die Krankenkasse geschickt. Das allerdings viel zu spät. Es handelte sich hierbei um das Formular für Versicherte zur Vorlage bei der Krankenkasse. 

Der Arzt händigte regelmäßig die Krankmeldungen nicht an die Versicherten aus, sondern leitete diese in Freiumschlägen, die ihm von der Krankenkasse zur Verfügung gestellt worden waren, auf dem Postweg weiter. Das Sozialgericht wertete deshalb zu Recht, dass die Klägerin auf diesen Ablauf vertrauen durfte. Die verspätete Meldung bei der Krankenkasse war ausnahmsweise nicht ihrem Verantwortungsbereich zuzuordnen, da sie keinen Einfluss darauf hatte. Die Krankenkasse muss nun für die fehlenden etwa zwei Wochen Krankengeld nachzahlen.

Schutzbedürfnis der Versicherten ist immer für den Einzelfall zu prüfen

Die Richter beriefen sich auch auf das erfreuliche Urteil des Bundessozialgerichts vom 11.05.2017 (B 3 KR 22/15 R). Hier hat es mit einem Senatswechsel beim BSG eine Abkehr von der bisherigen harten Linie gegeben. Das BSG besann sich auf das Schutzbedürfnis der Versicherten in der sozialen Krankenversicherung. Danach sind ihnen nicht immer alle Risiken aufzubürden. Dort ging es um Beratungsfehler seitens der krankschreibenden Ärzte. 

Aber Achtung: 

Das Gericht wertete hier die Regelmäßigkeit, mit der die Praxis die Krankmeldungen selbst weiterleitete, sowie, dass die Krankenkasse Freiumschläge dafür zur Verfügung stellte. Man wird sich also nicht in jedem Fall darauf verlassen können, aus dem Schneider zu sein, wenn der Arzt die Weiterleitung der AU-Bescheinigung an die Krankenkasse übernimmt. 

Ärztliche Fehleinschätzung geht zu Lasten der Krankenkasse

Hier war es so, dass der Arzt fälschlicherweise davon ausging, die AU-Bescheinigung selbst weiterleiten zu müssen. Hintergrund dafür sind die Verpflichtung der Ärzte während der Entgeltfortzahlung durch die Arbeitgeber die Krankenkassen über eine Arbeitsunfähigkeit zu informieren (§ 5 Abs. 1 S. 5 Entgeltfortzahlungsgesetz) sowie die zum 1. Januar 2016 geänderten Formulare für die Bescheinigung von Arbeitsunfähigkeit (vierseitiger Formularsatz). 

Aus den Gesamtumständen stellte sich für das Gericht das Verhalten des Arztes als rechtliche Fehleinschätzung dar, deren Folge die Krankenkasse treffen. Ganz anders sähe es aus, wenn ein Arzt auf Bitte des Patienten die Weiterleitung der Krankmeldung übernimmt und sich darüber bewusst ist, dazu gesetzlich nicht verpflichtet zu sein. 

Arbeitsunfähigkeit in den ersten vier Wochen vom neuen Job 

Im zweiten Urteil des Sozialgerichts Detmold gab es keinen positiven Ausgang für die Klägerin. Sie stand ab dem 1. Juni 2016 in einem Beschäftigungsverhältnis und erkrankte einige Tage nach Beginn. Da sie davon ausging, Entgeltfortzahlung vom Arbeitgeber zu bekommen, schickte sie die Krankmeldung zunächst nur in die Firma, nicht aber an die Krankenkasse. 

Tatsächlich besteht aber in den ersten vier Wochen eines Arbeitsverhältnisses noch kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. 

Klägerin versäumt die Meldefrist  

Erst am 1. Juli hatte die Krankenkasse die AU-Bescheinigung sowie einen Antrag der Klägerin auf Krankengeld für den Zeitraum 10. bis 30. Juni erhalten. Sie lehnte den Antrag ab. Auch hier war die Meldefrist von einer Woche versäumt.

In diesem Fall sahen die Richter keinen Ausnahmefall. 

Die Überlegung ist in solchen Fällen immer: Hat der Versicherte alles in seiner Macht stehende und ihm zumutbare getan, um seine Ansprüche zu wahren, ist er aber daran durch eine von der Krankenkasse zu vertretende Fehleinschätzung gehindert gewesen? Dabei kann auch ein Fehler des krankschreibenden Arztes der Krankenkasse zuzuordnen sein. 

„Zur Vorlage bei der Krankenkasse“ als eindeutiger Hinweis

Die Klägerin berief sich darauf, auf die Rechtsfolgen einer verspäteten Anzeige nicht hinreichend hingewiesen worden zu sein. Auf der AU-Bescheinigung sei lediglich im unteren Bereich ein kleingeschriebener Hinweis zum Krankengeld zu finden. Und der behandelnde Arzt habe auf dem Formular für den Krankengeldfall kein Kreuz gesetzt. Es liege also ein Verschulden des behandelnden Arztes vor, welches der Krankenkasse zuzurechnen sei. 

Dieser Einschätzung schlossen sich die Richter beim Sozialgericht Detmold nicht an. 

Da auf dem Formular "Ausfertigung zur Vorlage bei der Krankenkasse" steht, hätte es der Klägerin klar sein müssen, dass sie den Teil der AU-Bescheinigung der Krankenkasse zu übersenden hat. Bei Zweifeln hätte die Klägerin mit der Krankenkasse telefonieren müssen. 

Kein Verschulden des Arztes 

Ein Verschulden des Arztes scheitere daran, dass kein Fall der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall vorlag und der Arzt dementsprechend nicht verpflichtet war, die Krankenkassen über eine Arbeitsunfähigkeit zu informieren. 

Hier wird deutlich, worauf es für einen Ausnahmefall ankommt. Der Arzt hat hier getan, was er tun musste, nämlich festgestellt, dass die Klägerin arbeitsunfähig ist. Er händigte der Klägerin die AU-Bescheinigung aus, konkret die Ausfertigungen für Versicherte, die zur Vorlage bei der Krankenkasse, sowie die zur Vorlage bei dem Arbeitgeber. 

Wer was nicht weiß oder sich irrt, verliert 

Wenn die Klägerin nur dem Arbeitgeber die Bescheinigung vorlegt, weil sie nicht wusste, dass sie statt Entgeltfortzahlung Krankengeld beanspruchen kann, hat sie nach den Maßstäben der Rechtsprechung nicht alles getan, was ihr möglich und zumutbar ist. 

Dabei sind die Maßstäbe immer noch sehr streng. Besonders oft sind Personen betroffen, die aufgrund psychischer Erkrankungen nicht zu 100% in der Lage sind, ihre Angelegenheiten zu regeln. Auch die Klägerin war wegen einer akuten Überlastungsreaktion krankgeschrieben. Da wir in einer Gesellschaft leben, in der der Mensch zu funktionieren hat, spielt das für die Gerichte leider keine Rolle. Wer in einer solchen Situation niemanden hat, der Rat gibt oder einholt, bleibt auf der Strecke. 

Links:

Das Urteil vom Sozialgericht Detmold, bei dem die Richter eine Ausnahme zugunsten der Klägerin anerkannt haben, kann hier nachgelesen werden.

Das Urteil des Sozialgerichts Detmold, bei dem die Richter der Klägerin kein Krankengeld zugesprochen haben, kann hier nachgelesen werden.


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Rechtliche Grundlagen

§ 5 Entgeltfortzahlungsgesetz

§ 5 Anzeige- und Nachweispflichten
(1) Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage, hat der Arbeitnehmer eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer spätestens an dem darauffolgenden Arbeitstag vorzulegen. Der Arbeitgeber ist berechtigt, die Vorlage der ärztlichen Bescheinigung früher zu verlangen. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als in der Bescheinigung angegeben, ist der Arbeitnehmer verpflichtet, eine neue ärztliche Bescheinigung vorzulegen. Ist der Arbeitnehmer Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse, muss die ärztliche Bescheinigung einen Vermerk des behandelnden Arztes darüber enthalten, dass der Krankenkasse unverzüglich eine Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit mit Angaben über den Befund und die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit übersandt wird.