Thomas S. war seit längerem arbeitsunfähig erkrankt und erhielt von seiner Krankenkasse Krankengeld. Er nahm mit Zustimmung der Krankenkasse zwei Wochen lang an einer stufenweise Wiedereingliederungsmaßnahme im Betrieb seines Arbeitgebers teil.
Fahrtkostenerstattung durch die Krankenkasse?
Thomas S. legte in dieser Zeit an zehn Tagen die Strecke von seinem Wohnort zu seinem Arbeitsort mit der Länge von insgesamt 20 km zurück. Nachdem die Wiedereingliederung erfolgreich abgeschlossen war, stellte er bei seiner Krankenkasse einen Antrag auf Erstattung der Fahrtkosten auf der Grundlage der gefahrenen Kilometer.
Die Krankenkasse lehnte den Antrag ab. Begründung: es handele sich bei einer stufenweisen Wiedereingliederung nicht um eine Leistung der Krankenkasse, für die sie aufkommen müsse. Eine Wiedereingliederungsmaßnahme stelle grundsätzlich keine medizinische Rehabilitation dar, an der die Krankenkasse oder eine ihrer Einrichtungen in irgendeiner Art und Weise beteiligt wäre.
Sozialgericht: Wiedereingliederungsmaßnahme stellt Maßnahme der Rehabilitation dar
Thomas S. gab sich damit nicht zufrieden und ging - mit Unterstützung der DGB Rechtsschutz GmbH Dresden - vor Gericht. Mit Erfolg: das Sozialgericht Dresden war anderer Meinung als die Krankenkasse. Zwar gehe aus den gesetzlichen Regelungen, die die Leistungen der Krankenkassen regeln, nicht ausdrücklich hervor, dass hierunter auch die stufenweise Wiedereingliederung fallen soll.
Die Wiedereingliederung setze aber voraus, dass der/die Erkrankte, seine/ihre Arzt/Ärztin, der Arbeitgeber und die Krankenkasse zusammenwirken. Dadurch solle erreicht werden, dass der/die Erkrankte wieder seine/ihre frühere Beschäftigung aufnehmen kann. Die stufenweise Wiedereingliederung sei daher eine Maßnahme der medizinischen Rehabilitation. Die Krankenkasse zahle ja auch in dieser Zeit Krankengeld.
Fahrtkostenerstattung ja, aber nicht auf der Grundlage einer Kilometerpauschale
Das Sozialgericht zieht daraus die Schlussfolgerung, dass die Krankenkasse deshalb auch die Fahrtkosten von Thomas S. zu dem Betrieb seines Arbeitgebers erstatten muss. Thomas S. könne aber nur den Betrag verlangen, den er bezahlt hätte, wenn er das kostengünstigste öffentliche Verkehrsmittel benutzt hätte.
Im Falle von Thomas S. war das ein Einzelticket der Preisstufe 2 für den Bus und somit circa vier Euro für jede Fahrt. Diesen Betrag könne er aber auch verlangen, wenn er sein Fahrzeug verwendet hat.
Ergebnis: Thomas S. kann sich freuen, da er zumindest einen Teil seiner Fahrtkosten wiedererhält.
Hier geht es zu dem Urteil des Sozialgericht Dresden
Lesen Sie hierzu auch: Stufenweise Wiedereingliederung mit ärztlichem Plan
Das sagen wir dazu:
Es ist ein alter Streit: bislang haben sich die Krankenkasse geweigert, Leistungen wie Fahrtkosten zu erbringen, wenn eine stufenweise Eingliederung durchgeführt wird. Tatsächlich hat eine stufenweise Wiedereingliederungsmaßnahme eine Sonderstellung, da sie auf einem Vertragsverhältnis zwischen dem/der arbeitsunfähigen Versicherten und dem Arbeitgeber beruht. Die Krankenkassen haben stets argumentiert, dass damit ein arbeitsvertragsähnliches Rechtsverhältnis bestehe und deshalb die kranken Arbeitnehmer*innen selbst dafür zu sorgen hätten, auf eigene Kosten zu ihrem Arbeitsplatz zu kommen.
Dem hat das Sozialgericht Dresden ein Riegel vorgeschoben, indem es eine stufenweise Wiedereingliederung als medizinische Rehabilitationsmaßnahmen qualifiziert. Damit hätten die Krankenkassen nicht nur die Fahrtkosten zu erstatten, sondern eventuell auch weitere Kosten, die während der Wiedereingliederungsmaßnahme anfallen. Allerdings ist das Urteil des Sozialgerichts Dresden noch nicht rechtskräftig. Sollte die beklagte Krankenkasse Berufung einlegen, müsste das Sächsische Landessozialgericht entscheiden. Wir bleiben dran.
Rechtliche Grundlagen
Sozialgesetzbuch V (Gesetzliche Krankenversicherung)
Können arbeitsunfähige Versicherte nach ärztlicher Feststellung ihre bisherige Tätigkeit teilweise verrichten und können sie durch eine stufenweise Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit voraussichtlich besser wieder in das Erwerbsleben eingegliedert werden, soll der Arzt auf der Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit Art und Umfang der möglichen Tätigkeiten angeben und dabei in geeigneten Fällen die Stellungnahme des Betriebsarztes oder mit Zustimmung der Krankenkasse die Stellungnahme des Medizinischen Dienstes (§ 275) einholen. Spätestens ab einer Dauer der Arbeitsunfähigkeit von sechs Wochen hat die ärztliche Feststellung nach Satz 1 regelmäßig mit der Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit zu erfolgen. Der Gemeinsame Bundesausschuss legt in seinen Richtlinien nach § 92 bis zum 30. November 2019 das Verfahren zur regelmäßigen Feststellung über eine stufenweise Wiedereingliederung nach Satz 2 fest.
Das sagen wir dazu