Das DGB Rechtsschutzbüro Essen hatte einen ungewöhnlichen Fall vor dem Sozialgericht Duisburg zu vertreten. Der Kläger war arbeitsunfähig krank. Zur Überprüfung der vom behandelnden Arzt ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wurde er auf Veranlassung seiner Krankenkasse von deren Sozialmedizinischen Dienst (SMD) untersucht.
Die Online-Meldung der Arbeitsunfähigkeit ließ sich nicht beweisen
Der SMD bestätigte das Vorliegen weiterer Arbeitsunfähigkeit und faxte das erstellte Gutachten an die Krankenkasse. Der Kläger selbst behauptete im Verfahren, er habe die zuvor ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung über ein dafür vorgesehenes Online-Portal an die Krankenkasse weitergeleitet.
Über den Eingang der Meldung erstellt das System grundsätzlich eine Bestätigung. Der Kläger selbst verfügte über diese Mail nicht und verwies im Verfahren darauf, eine Fehlermeldung nicht erhalten zu haben.
Die Krankenkasse zahlte kein Krankengeld. Sie teilte dem Kläger mit, er habe innerhalb der gesetzlichen Frist eine Meldung der Arbeitsunfähigkeit nicht vorgenommen. Die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit müsse durch einen Vertragsarzt erfolgen. Dazu zähle der SMD nicht. Das per Fax übermittelte Gutachten des SMD genüge daher nicht, um der rechtzeitigen Meldung der Arbeitsunfähigkeit nachzukommen. Außerdem habe die dortige Ärztin keine Aussage zur Dauer der Arbeitsunfähigkeit gemacht.
Die Meldung muss nicht persönlich erfolgen
Das Sozialgericht Duisburg verurteilte die beklagte Krankenkasse zur Zahlung des vom Kläger beantragten Krankengeldes. Die Voraussetzungen für den Anspruch auf Krankengeld lägen vor, heißt es im Urteil. Der Anspruch des Klägers auf Krankengeld wegen verspäteter Meldung ruhe nicht.
Ein Ruhen des Anspruchs auf Krankengeld käme nur in Betracht, solange die Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse nicht gemeldet worden sei. Bei der Meldung handele es sich um eine Obliegenheit des*der Versicherten. Die Folgen einer unterbliebenen oder nicht rechtzeitigen Meldung müsse diese*r selbst tragen.
Auf den fristgerechten Eingang der vom Kläger über das Online-Portal übermittelten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung komme es nicht an. Die fristgerechte Übermittlung der Untersuchungsergebnisse durch die Ärztin des SMD reiche für eine Meldung aus.
Die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit durch den SMD der Beklagten sei zulässig. Die Meldung müsse nicht durch einen Vertragsarzt erfolgen. Erklärungen und Feststellungen eines SMD genügten als ärztliche Feststellung.
Zwingende Formvorschriften existieren nicht
Die Meldung bedürfe keiner besonderen Form. Sie sei eine reine Tatsachenmitteilung und müsse nicht zwingend mit einem entsprechenden Vordruck in Form der klassischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung übergeben werden. Die Meldung könne auch durch einen Arzt oder eine Klinik erfolgen. Versicherte müssten ihre Arbeitsunfähigkeit nicht persönlich mitteilen. Sie könnten sich durch Dritte vertreten lassen.
Es reiche aus, wenn der Krankenkasse die ärztliche Feststellung bekannt gegeben werde und die Bekanntgabe dem*der Versicherten zuzurechnen sei. Die Ergebnisse der Untersuchung und ihre Einschätzung habe die Ärztin des SMD mit der Kenntnis des Klägers an die Beklagte übermittelt.
Die mitgeteilten Feststellungen des SMD entsprächen auch inhaltlich den Anforderungen des Gesetzes. Erforderlich sei lediglich die Mitteilung, dass Arbeitsunfähigkeit vorliege und diese ärztlich festgestellt worden sei. Die Ärztin des SMD habe ihre fachliche Einschätzung dementsprechend abgegeben.
Die Dauer der Arbeitsunfähigkeit muss in der Mitteilung nicht enthalten sein
Eine konkrete Meldung der voraussichtlichen Dauer einer Arbeitsunfähigkeit fordere das Gesetz nicht. Krankenkassen könnten sich nicht darauf berufen, dass Ärzte ihre Feststellungen entgegen der Regelungen der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie unbefristet erteilten.
Es reiche aus, wenn der Versicherte nach ärztlicher Bescheinigung „weiter arbeitsunfähig" und „der Zeitpunkt des Wiedereintritts der Arbeitsfähigkeit nicht absehbar“ sei, wenn sich unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls eine hinreichend konkrete Angabe zur voraussichtlichen Dauer der weiteren Arbeitsunfähigkeit aus den vorliegenden Unterlagen nachvollziehen lasse.
Die Meldepflicht soll über den Fortbestand der Arbeitsunfähigkeit informieren
An die Bescheinigung des SMD dürfe die Krankenkasse keine überhöhten Anforderungen stellen. Der Grund dafür liege im Sinn und Zweck der Meldepflicht, die Krankenkasse möglichst frühzeitig über das Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit zu informieren und in die Lage zu versetzen, gegebenenfalls den Gesundheitszustand durch den SMD überprüfen zu lassen.
Diesem Zweck sei bereits nach einer Begutachtung durch den SMD gedient, die die Einschätzung der Arbeitsunfähigkeit uneingeschränkt bestätige.
Die Kasse muss nun das beantragte Krankengeld an den Kläger nachzahlen.
Hier geht es zum Urteil des Sozialgerichts Duisburg.
Rechtliche Grundlagen
§ 49 Abs. 1 SGB V
(1) Der Anspruch auf Krankengeld ruht,
1. soweit und solange Versicherte beitragspflichtiges Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erhalten; dies gilt nicht für einmalig gezahltes Arbeitsentgelt,
2. solange Versicherte Elternzeit nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz in Anspruch nehmen; dies gilt nicht, wenn die Arbeitsunfähigkeit vor Beginn der Elternzeit eingetreten ist oder das Krankengeld aus dem Arbeitsentgelt zu berechnen ist, das aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung während der Elternzeit erzielt worden ist,
3. soweit und solange Versicherte Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Unterhaltsgeld oder Kurzarbeitergeld beziehen,
3a. solange Versicherte Mutterschaftsgeld oder Arbeitslosengeld beziehen oder der Anspruch wegen einer Sperrzeit nach dem Dritten Buch ruht,
4. soweit und solange Versicherte Entgeltersatzleistungen, die ihrer Art nach den in Nummer 3 genannten Leistungen vergleichbar sind, von einem Träger der Sozialversicherung oder einer staatlichen Stelle im Ausland erhalten,
5. solange die Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse nicht gemeldet wird; dies gilt nicht, wenn die Meldung innerhalb einer Woche nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder die Übermittlung der Arbeitsunfähigkeitsdaten im elektronischen Verfahren nach § 295 Absatz 1 Satz 10 erfolgt,
6. soweit und solange für Zeiten einer Freistellung von der Arbeitsleistung (§ 7 Abs. 1a des Vierten Buches) eine Arbeitsleistung nicht geschuldet wird,
7. während der ersten sechs Wochen der Arbeitsunfähigkeit für Versicherte, die eine Wahlerklärung nach § 44 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 abgegeben haben,
8. solange bis die weitere Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit nach § 46 Satz 3 ärztlich festgestellt wurde.
(2) …