Es sollte selbstverständlich sein, dass ein Arbeitnehmer sich bei Krankheit auch nahtlos krankschreiben lässt.
Arbeitnehmer riskieren Abmahnung
Es kommt immer wieder vor, dass Krankmeldungen, zum Beispiel an einem Feiertag auslaufen, am Brückentag aber die Arztpraxis nicht besetzt ist. Oder Betroffene werden vom Arztpersonal auf einen anderen Tag vertröstet.
In einem Arbeitsverhältnis besteht das finanzielle Risiko, einen Tag nicht belegt zu haben, darin, dass man diesen Tag hätte arbeiten müssen und damit vielleicht wegen unentschuldigtem Fehlens zumindest eine Abmahnung riskiert. Außerdem wird man für diesen Tag nicht bezahlt.
Krankengeld gibt es auch über das beendete Arbeitsverhältnis hinaus, aber nur dann, wenn durchgehend wegen der gleichen Krankheit Arbeitsunfähigkeit bestand.
Was ist Nahtlosigkeit?
Hier bestand eine böse Falle schon bei der Frage was nahtlos war. Bis zur Entschärfung durch das GKV Versorgungsstärkungsgesetz musste die Verlängerung der Krankmeldung bereits am letzten Tag der auslaufenden Meldung erfolgen.
In diese Falle sind viele getappt. Da man beim Krankengeldbezug nur durch die Tatsache versichert ist, dass man auch Krankengeld erhält, erlischt die Mitgliedschaft zur Kasse, auch bei der kleinsten Lücke.
Es gab also nicht nur für die Lücke, sondern auch für die Zukunft kein Krankengeld mehr und man musste sich freiwillig - für teuer Geld - versichern.
Gesetzesänderung definiert Nahtlosigkeit neu und praxisnah
Die oben genannte Gesetzesänderung hat diese böse Falle geschlossen. Jetzt reicht es aus, wenn am nächsten Werktag nach Ablauf der Krankmeldung die weitere Krankmeldung attestiert wird. Beim Auslaufen einer Krankmeldung am Freitag reicht es also aus, wenn die neue Krankmeldung am Montag erfolgte.
Diese Nachweispflicht kennen Arbeitnehmer auch gegenüber ihrem Arbeitgeber. Die Konstellation vor der Gesetzesänderung war vielen Versicherten aber auch Ärzten nicht bekannt oder es ging im Alltagsgeschäft unter.
Damit sind aber nicht alle Risiken abgedeckt. Denn nach wie vor bestehen tatsächliche Schwierigkeiten, die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung fristgemäß zu erhalten.
Wir berichteten über die Entscheidung „Rosenmontag ist kein Feiertag“ ( www.dgbrechtsschutz.de/recht/sozialrecht/krankenversicherung/rosenmontag-ist-kein-feiertag/) Dort hatte das Sozialgericht Konstanz rechtskräftig entschieden, dass keine Nahtlosigkeit vorlag. Am Rosenmontag war die Arztpraxis nicht besetzt. Das Gericht war der Auffassung, dass sich der Versicherte an einen Vertretungsarzt oder Krankenhaus hätte wenden müssen.
Krankengeldfalle weiter entschärft durch neue BSG-Entscheidung
Das BSG hat in einem neuen Urteil noch ein wenig mehr auf die Versichertensituation abgestellt: Eine Versicherte war auch nach Ende des Arbeitsverhältnisses noch krank und hat am letzten Tag ihren Hausarzt aufgesucht.
Der Facharztbesuch war am darauffolgenden Tag geplant. Daraufhin hat der Hausarzt keine Arbeitsunfähigkeit attestiert, sondern an die Fachärztin verwiesen. Damit entstand eine Lücke von einem Tag.
Bisher war es egal, ob der Versicherte völlig unschuldig in diese Lage geriet. Jetzt ließ das BSG es genügen, dass die Klägerin zweifelsfrei an diesem nicht belegten Tag arbeitsunfähig war, keine Anhaltspunkte für Leistungsmissbrauch bestanden und sie alles in ihrer Macht stehende und Zumutbare getan hatte, indem sie einen befugten Arzt persönlich aufgesucht und ihm seine Beschwerden geschildert hat um die Krankmeldung zu erreichen und dies auch rechtzeitig gemacht hat.
Die Versicherte war also nur durch Fehlentscheidung des Vertragsarztes, ihr keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausgestellt zu haben, daran gehindert, ihre Recht geltend zu machen.
Nahtlose Krankschreibung mit gleicher Diagnose erforderlich
Ganz wichtiger praxisrelevanter Punkt ist die nahtlose Krankschreibung mit der gleichen Diagnose, also wegen derselben Krankheit.
Folgender Fall: Neumann ist bisher von seinem Hausarzt wegen Depression krankgeschrieben worden, die Krankmeldung läuft ab und er hat erst in der nächsten Woche einen Facharzttermin.
Der Hausarzt ist im Urlaub, deshalb hat Neumann sich schon zuvor bei dessen Vertretung, einem räumlich getrennt praktizierenden Arzt, einen Termin geben lassen. Er ist sehr erkältet, als er den Termin dort wahrnimmt.
Er schildert seine psychischen Beschwerden und weist auf den Facharzttermin hin. Der Hausarzt will sich als Vertretungsarzt so nicht reinhängen und schreibt Neumann einfach wegen der Erkältung einige Tage arbeitsunfähig. Und schon ist es nicht nahtlos.
Lücke führt zum Ende der Mitgliedschaft in der Krankenkasse
Dieser Fall ließ sich klären, weil der Arzt im Nachhinein bestätigte, dass quasi die Erkältungskrankheit dazu getreten sei und auch weiterhin wegen der Depression Arbeitsunfähigkeit bestand.
Die Krankenkasse hat das akzeptiert, sonst hätte es fatale Auswirkung gehabt. Die Pflichtmitgliedschaft bei der Kasse hätte dann mit dem letzten Tag der Arbeitsunfähigkeit der Depression geendet.
Neumann kann sich nicht arbeitslos melden, weil er vom Facharzt ja wieder krankgeschrieben wurde. Um den Lebensunterhalt zu bestreiten bliebe nur Hartz IV oder das Leben vom Ersparten. Dabei müsste Neumann sich noch freiwillig bei der Kasse versichern.
Auch nach einer Reha kann schnell so eine Situation geschehen. Man erfährt erst recht kurzfristig, wann man entlassen wird unter Umständen erst mit der Entlassung, ob als arbeitsfähig oder nicht arbeitsfähig.
Fazit:
„Upjepasst !“ - In Hochdeutsch: Aufgepasst! Nicht nur die Nahtlosigkeit sollte vom Versicherten beachtet werden, sondern in dieser Konstellation auch einen Blick auf die Diagnosen.
Die BSG- Entscheidung ist zu begrüßen, denn gerade Kranke und erst recht psychisch kranke Arbeitnehmer*innen haben es schwer, sich gegenüber Ärzten durchzusetzen, die ja meinen, das würde ausreichen, was sie bestätigen.
In überfüllten Arztpraxen beherrschen oft rigorose Arzthelfer*innen die Terminkalender, denen das Problem gar nicht bekannt ist. So wird der Versicherte auf einen anderen Tag vertröstet und schon kann der Betroffene ohne Schuld in eine gravierende finanzielle Schieflage geraten.
Die Entscheidung ist wegen der bestehenden Hürden kein Freibrief. Die rechtliche Wertung war einem ganz konkreten Fall geschuldet.
Hier gibt es das vollständige Urteil des Bundessozialgerichts vom 11.Mai 2017 - Az.: 17 B 3 Kr 22/15 R
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§ 46 Entstehen des Anspruchs auf Krankengeld
Entstehen des Anspruchs auf Krankengeld
Der Anspruch auf Krankengeld entsteht
1. bei Krankenhausbehandlung oder Behandlung in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung (§ 23 Abs. 4, §§ 24, 40 Abs. 2 und § 41) von ihrem Beginn an,
2. im Übrigen von dem Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit an.
Der Anspruch auf Krankengeld bleibt jeweils bis zu dem Tag bestehen, an dem die weitere Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit ärztlich festgestellt wird, wenn diese ärztliche Feststellung spätestens am nächsten Werktag nach dem zuletzt bescheinigten Ende der Arbeitsunfähigkeit erfolgt; Samstage gelten insoweit nicht als Werktage. Für die nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz Versicherten sowie für Versicherte, die eine Wahlerklärung nach § 44 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 abgegeben haben, entsteht der Anspruch von der siebten Woche der Arbeitsunfähigkeit an. Der Anspruch auf Krankengeld für die in Satz 3 genannten Versicherten nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz entsteht bereits vor der siebten Woche der Arbeitsunfähigkeit zu dem von der Satzung bestimmten Zeitpunkt, spätestens jedoch mit Beginn der dritten Woche der Arbeitsunfähigkeit, wenn der Versicherte bei seiner Krankenkasse einen Tarif nach § 53 Abs. 6 gewählt hat.