Es geht um die Weiterbewilligung von Krankengeld.

Entscheidend hierfür ist, wann die weiterhin bestehende Arbeitsunfähigkeit vom Arzt festgestellt wird.

Wann der letztmögliche Termin hierfür ist, ist  höchst unbefriedigend gesetzlich geregelt.

Noch lautet die einschlägige Gesetzesnorm: § 46 Satz 1 Sozialgesetzbuch (SGB) V
(hier relevant: Nr. 2)
(in der Fassung vom 17.7.2009):

Der Anspruch auf Krankengeld entsteht 

1. bei Krankenhausbehandlung oder Behandlung in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung (§ 23 Abs. 4, §§ 24, 40 Abs. 2 und § 41) von ihrem Beginn an,

2. im Übrigen von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt.


Das Bundessozialgericht (BSG) hat diese Norm in ständiger Rechtsprechung so ausgelegt, dass nicht ein begonnener Krankengeldanspruch weiterhin bestätigt werden muss, sondern dass bei üblicherweise befristetem Krankengeld-bewilligungszeitraum von einer also abschnittsweisen Krankengeldgewährung auszugehen ist, sodass für jeden weiteren Bewilligungsabschnitt das Vorliegen der leistungsrechtlichen Voraussetzungen des Krankengeldes neu zu prüfen ist (BSG 22.3.2005 – B 1 KR 22/04 R, Ls. 1). Das BSG formuliert, dass stets der Krankengeldanspruch endet und wieder neu beginnt – auch wenn die Krankheit, die letztlich auslösend für die Arbeitsunfähigkeit ist, weiterwirkt und also dieselbe bleibt.


In Rechtsprechung und Literatur erfuhr diese Entscheidungspraxis Kritik (siehe nur: LSG NRW 17.7.2014 – L 16 KR 208/13, zuletzt SG Speyer 03.03.2015 – S 19 KR 10/15 ER; Ulrich Knispel, NZS 2014, 561 ff, Zur ärztlichen Feststellung des Fortbestehens von Arbeitsunfähigkeit bei abschnittsweiser Krankengeldgewährung; Wolfgang Keller, KrV 04/13, 141 ff, Die rechtzeitige ärztliche Feststellung des Fortbestehens von Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung für weiteres Krankengeld).


Besonders verstörend, aber in seiner Logik konsequent ist ein relativ junges Urteil des BSG vom 16.12.2014, nach dem eine bescheinigte Arbeitsunfähigkeit an einem Sonntag endete. Das BSG sah eine Obliegenheit des Versicherten, entweder bereits am Freitag erneut einen Arzt zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit aufzusuchen oder aber den hausärztlichen Notfalldienst in Anspruch zu nehmen. Vertrauen auf die behandelnde Ärztin, die aufgegeben hatte, erst am Montag zu kommen, könne die Krankenkasse nicht veranlassen, in die Krankengeldfortzahlung zu gehen (BSG 16.12.2014 – B 1 KR 35/14 R – Rn 23, juris)


Stets ist das Argument des BSG, dass es die „Mitwirkungsobliegenheit des Versicherten“ ist, rechtzeitig den Arzt aufzusuchen, die nicht erfüllt ist und teilweise fatale materielle Folgen für die insoweit Irrenden hat.

Nun aber wird es anders:

Mit dem Gesetzes zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstärkungsgesetz – GKV-VSG –Gesetzentwurf der BReg. – BT-Drucks.18/4095 –) gibt es eine andere Betrachtungsweise durch einen neu eingefügten Satz 2 in § 46 SGB V.


Hintergrund zur ergänzenden Änderung dieser Norm sind o.a. Erfahrungen.

In § 46 SGB V Satz 1 Nr. 2 heißt es statt

„Der Anspruch auf Krankengeld entsteht 

….

2. im Übrigen von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt.“


nunmehr

„Der Anspruch auf Krankengeld entsteht

….

… im Übrigen von dem Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit an…“


Nach Satz 1 wird – neu – eingefügt: 

„Der Anspruch auf Krankengeld bleibt jeweils bis zu dem Tag bestehen, an dem die weitere Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit ärztlich festgestellt wird, wenn diese ärztliche Feststellung spätestens am nächsten Werktag nach dem zuletzt bescheinigten Ende der Arbeitsunfähigkeit erfolgt; Samstage gelten insoweit nicht als Werktage.“


Durch den neuen Wortlaut des Satzes 2 bleibt der Anspruch auf Krankengeld bestehen, wenn nach Ende der ärztlich festgestellten Arbeitsunfähigkeit deren Fortdauer wegen derselben Krankheit erst am nächsten Werktag – von dem der Samstag ausgenommen ist – ärztlich festgestellt wird. Mit der Regelung einschl. der Klarstellung bzgl. des Samstags wird der nahtlose Leistungsbezug sichergestellt. Für die Versicherten bleibt darüber hinaus ihre Mitgliedschaft als Versicherungspflichtige aufgrund des Krankengeldbezuges bestehen. Damit werden die Probleme gelöst, die sich in der Praxis bei der verspäteten Ausstellung von Arbeitsunfähigkeits-Folgebescheinigungen zeigen (BT-Drs 18/5123, S. 111, 121). 


Nicht verkannt wird, dass das grundsätzliche Vorhaben mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz ist, flächendeckende, gut erreichbare medizinische Versorgung sicherzustellen, die Rahmenbedingungen für die vertragsärztliche Versorgung zu flexibilisieren und den Versicherten einen schnellen und Sektoren übergreifenden durchgehenden Zugang zur medizinischen Versorgung zu verschaffen (BT-Drs 18/4095, S. 1). Aber die hier beschriebene Änderung hat gleichfalls wohltuende Wirkung. 


Der Bundestag hat in seiner Sitzung vom 11.06.2015 (BT-Plenarprotokoll 18/109, S. 10466 A, Annahme in Ausschussfassung (18/4095, 18/5123)) das Gesetz beschlossen, der Bundesrat hat in seiner Sitzung vom 10.07.2015 entschieden, den Vermittlungsausschuss nicht anzurufen (BR-Plenarprotokoll 935, 246 B).