1. Wann ist man schwerbehindert?
Unter Behinderung versteht das Gesetz eine länger andauernde Einschränkungen der körperlichen Funktion, geistigen Fähigkeit oder seelischen Gesundheit, die dazu führt, dass diese beim betroffenen Menschen zu einem Zustand führt, der von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher seine Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Dieser Zustand muss voraussichtlich für mindestens sechs Monate bestehen.
Schwerbehindert ist ein Mensch, bei dem ein Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50 vorliegt.
2. Was bedeutet Grad der Behinderung?
Je größer die Beeinträchtigung des jeweiligen Menschen ist, desto höher ist der Grad der Behinderung. Es reicht also nicht aus, unter einer Krankheit zu leiden, sondern sie muss außerdem zu einer Einschränkung im täglichen Leben führen.
Mit welchem GdB eine Beeinträchtigung bemessen wird, ergibt sich aus der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Dort sind die „Versorgungsmedizinischen Grundsätze“ niedergelegt, aus denen sich der konkrete GdB ergibt.
Die „Versorgungsmedizinischen Grundsätze" wurden von einem unabhängigen ärztlichen Sachverständigenbeirat aufgestellt und sollen den aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft und die versorgungsmedizinischen Erfordernisse in ihre Bewertung einbeziehen.
3. Wie bemisst sich der Grad der Behinderung bei mehreren Beeinträchtigungen?
Liegen mehrere Funktionsstörungen vor, wird ein Gesamt-GdB ermittelt. Dabei werden aber nicht die einzelnen Grade addiert, sondern die Beeinträchtigungen werden zueinander ins Verhältnis gesetzt gemessen an den Auswirkungen auf die Lebensgestaltung.
Liegen zwei Einschränkungen vor, die sich aber auf denselben Lebensbereich, zum Beispiel das Gehen, auswirken, kommt es eher nicht zu einer Erhöhung. Haben die Einschränkungen aber nichts miteinander zu tun, etwa weil sich die eine Einschränkungen auf das Hörvermögen, die andere auf den Rücken bezieht, ist eine Erhöhung wahrscheinlich. In Ausnahmefällen können die Einzel-GdBs sogar addiert werden.
4. Was nutzt mir die Anerkennung der Schwerbehinderung
Der Gesetzgeber geht davon aus, dass bei einem GdB von 50 eine so erhebliche Beeinträchtigung vorliegt, dass der betroffene Mensch besonders geschützt werden muss. Als Schwerbehinderter hat man deshalb einige Vergünstigungen.
Der wichtigste Punkt ist der besondere Kündigungsschutz. Vor Ausspruch einer Kündigung muss der Arbeitgeber die Zustimmung des Integrationsamtes einholen. Dieses prüft, ob der Behinderte wegen seiner Behinderung gekündigt werden soll, oder ob die Kündigung damit nicht in Zusammenhang steht.
Als weiterer wichtiger Punkt ist die Möglichkeit, früher als regulär abschlagsfrei in Rente zu gehen. Zudem stehen dem schwerbehinderten Menschen 5 Tage Sonderurlaub zu.
Verteilt sich die regelmäßige Arbeitszeit des vollzeitbeschäftigten schwerbehinderten Arbeitnehmers auf mehr oder weniger als fünf Arbeitstage in der Woche, erhöht oder vermindert sich der Zusatzurlaub entsprechend. Arbeitet er z.B. an vier Tagen in der Woche, stehen ihm auch nur vier Tage Zusatzurlaub zu. Verteilt sich die Wochenarbeitszeit auf z.B. sechs Tage, beträgt der Zusatzurlaub ebenfalls sechs Tage. Auch bei Teilzeitarbeit von schwerbehinderten Arbeitnehmern ist die Verteilung ihrer Arbeitszeit auf die Wochentage maßgeblich (bei drei Arbeitstagen pro Arbeitswoche gibt es drei Tage Zusatzurlaub). Die Urlaubsdauer ist aber stets auf eine Arbeitswoche begrenzt.
5. Muss ich als Schwerbehinderter immer zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werden?
Ein allgemeiner Anspruch, bei jeder Bewerbung zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden, besteht nicht. Ein solcher Anspruch besteht nur bei Bewerbungen bei öffentlichen Arbeitgebern.
Aber auch dieser Anspruch besteht nur dann, wenn man grundsätzlich für die Stelle geeignet ist.
Eine Einladung ist nämlich entbehrlich, wenn die fachliche Eignung offensichtlich fehlt. Auch eine fehlerhafte Bewerbung kann zum Ausschluss des Anspruchs führen.
Außerdem muss der Arbeitgeber auf die Schwerbehinderteneigenschaft hingewiesen werden, damit er den Anspruch erfüllen kann.
6. Wie weit geht der Kündigungsschutz?
Das Integrationsamt prüft, ob die beabsichtigte Kündigung gegen berechtigte Interessen des schwerbehinderten Menschen verstößt. Erst, wenn die Zustimmung vorliegt, kann die Kündigung ausgesprochen werden.
Dieser Schutz besteht aber erst, wenn das Arbeitsverhältnis ein halbes Jahr bestanden hat.
7. Habe ich auch von einem geringeren GdB einen Vorteil?
Behinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30 können schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen oder erhalten können.
Die Gleichstellung muss bei der Arbeitsagentur beantragt werden. Als Gleichgestellter kann man ebenso wie ein Schwerbehinderter die Hilfestellung des Integrationsamtes in Anspruch nehmen und ist wie ein Schwerbehinderter vor Kündigungen geschützt.
Den Vorteil der Gleichstellung genießt aber nur, wer einen Arbeitsplatz hat, der gefährdet ist, also nur Beschäftigte. Sonderurlaub und frühere Rente ohne Abzüge stehen dem Gleichgestellten nicht zu.
8. Mein Antrag wurde abgelehnt, was mache ich jetzt?
Besonders, wenn die Anerkennung als Schwerbehinderter erstmalig beantragt wurde, wird der Antrag oft abgelehnt. Hier empfiehlt sich ein Widerspruch, der innerhalb eines Monats eingelegt werden muss.
Wird dieser abgelehnt, kann hiergegen Klage beim Sozialgericht erhoben werden. Das Verfahren kann jedoch sehr lange dauern, so dass mit einem schnellen Ergebnis nicht zu rechnen ist.
Es kann deshalb besser sein, einen neuen Antrag auf Feststellung der Schwerbehinderung zu stellen. Ein solcher Verschlechterungsantrag ist oft schneller bearbeitet, als ein Gericht entschieden hat.
9. Wann kann ich einen Verschlechterungsantrag stellen?
Der Verschlechterungsantrag ist nicht an Fristen gebunden und kann grundsätzlich jederzeit gestellt werden.
Einen Antrag auf Neubewertung sollte man immer dann stellen, wenn man der Ansicht ist, dass sich bestehende Beschwerden verschlechtert haben oder neue Beschwerden hinzugetreten sind.
Unabhängig kann es sinnvoll sein, vorsorglich alle ein bis zwei Jahre einen Verschlechterungsantrag zu stellen.
10. Lohnt sich ein höherer Grad der Behinderung als 50?
Über den GdB 50 hinaus sind auch an höhere Einstufungen weitere Erleichterungen angeknüpft. Insbesondere erhöht sich der Steuerfreibetrag.
Hinzu kommen höhere Freibeträge beim Wohngeld ab GdB 80 sowie weitere Vergünstigungen etwa beim Erwerb einer BahnCard (GdB 70).
Außerdem können über den GdB hinaus sog. Merkzeichen vergeben werden, die an besondere Einschränkungen wie die Bewegungsfähigkeit oder das Sehvermögen anknüpfen und spezielle Erleichterungen bringen.
Publikationen vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS)
Versorgungsmedizin-Verordnung mit den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (Broschüre)
Weitere Informationen
Einlegeblatt zur Broschüre Versorgungsmedizin-Verordnung
[GESETZ] Versorgungsmedizin-Verordnung
[ARTIKEL] Änderungsverordnungen zur Versorgungsmedizin-Verordnung
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Rundschreiben Soziale Entschädigung vom 2.12.2008 - IV c 3 - 46052 - 2/60
Rundschreiben Soziale Entschädigung - VI 5 - 55470
Rundschreiben Soziale Entschädigung vom 15. Dezember 2008 - IVc 3 – 48021-6