Impfschäden sind nicht erst seit den Diskussionen um die Corona-Schutzimpfung bekannt. Auch Grippeschutzimpfungen, Gelbfieberimpfungen sowie die viel diskutierten Masern-Schutzimpfungen bergen Risiken in sich. Passieren kann da immer was. Mark und Lisa möchten sich impfen lassen. Vorher wollen sie aber sicher gehen, dass sie im Fall eines Schadens abgesichert sind.
Impfungen bergen immer ein Risiko in sich
Klar ist den beiden, Impfschäden können zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit führen. Das Einkommen ist dann möglicherweise nicht mehr gesichert. Auch leichtere Impfschäden schränken die Lebensqualität durchaus ein.
Mark und Lisa möchten zunächst einmal wissen, ob der Staat überhaupt für bestimmte Schäden eintritt. Ihre Recherchen ergeben, dass es überall dort einen Anspruch auf Versorgung gibt, wo die staatliche Gemeinschaft für die Folgen eines gesundheitlichen Schadens einstehen muss. Besondere Opfer kann der Staat damit finanziell abgelten. Das ist die Grundlage des sozialen Entschädigungsrechts.
Zuerst war da Bundesversorgungsgesetz da
Zunächst einmal gab es dazu das Bundesversorgungsgesetz. Es galt ursprünglich für die Opfer des Zweiten Weltkrieges, aber auch für alle Opfer von Kriegshandlungen. Wer infolge eines Krieges einen Gesundheitsschaden erleidet, kann danach Versorgungsleistungen erhalten, um die gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auszugleichen.
Mittlerweile gibt es einige weitere Gesetze, die auf das Bundesversorgungsgesetz verweisen. Menschen, die nach diesen zusätzlichen Gesetzen einen Gesundheitsschaden erleiden, erhalten dieselbe Versorgung wie Kriegsopfer.
Entschädigungen können auch andere Personengruppen erhalten
Mark und Lisa finden heraus, welche Gesetze Fragen des sozialen Entschädigungsrechts regeln:
- das Soldatenversorgung
- das Zivildienstgesetz
- das Opferentschädigungsgesetz
- das Infektionsschutzgesetz
- das Häftlingshilfegesetz
- das Strafrechtliche und Verwaltungsrechtliche Rehabilitierungsgesetz.
Soldat*innen können Entschädigungen erhalten
Damit sie das besser verstehen, suchen Mark und Lisa nach Erklärungen in den einzelnen Gesetzen. Danach ist ihnen schon einiges klarer:
Soldat*innen können beispielsweise eine Entschädigung erhalten, wenn sie im Zusammenhang mit dem Wehrdienst einen Gesundheitsschaden erlitten haben. Gleiches gilt für Zivildienstleistende im Zusammenhang mit ihrer Dienstverrichtungen.
Für tätliche Angriffe und Impfschäden gibt es auch gesetzliche Regelungen
Wer Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs wurde oder diesen rechtmäßig abgewehrt hat und dabei einen Gesundheitsschaden erlitt, ist Opfer einer Gewalttat und kann Entschädigungsleistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz bekommen.
Der Staat kompensiert darüber hinaus gesundheitliche Beeinträchtigungen, die durch eine Impfung infolge einer öffentlich empfohlenen oder gesetzlich vorgeschriebenen Schutzimpfung aufgetreten sind ebenso wie auch nach Maßnahmen einer spezifischen Prophylaxe.
Maßnahmen des Gewahrsams und der Freiheitsentziehung sind auch gesetzlich geregelt
Heute vielleicht nicht mehr so oft, aber schließlich können deutsche Staatsangehörige und deutsche Volkszugehörige eine Entschädigung erhalten, wenn sie in Folge des Krieges in Gewahrsam Gesundheitsschäden erlitten haben.
Wer aufgrund einer Freiheitsentziehung oder einer Verwaltungsentscheidung, die mit wesentlichen Grundsätzen des Rechtsstaates unvereinbar ist, in der DDR an seiner Gesundheit geschädigt wurde, kann ebenfalls Entschädigungsleistungen beantragen.
Die Pflicht zur Entschädigung ist umfassend
Nun versuchen unsere beiden Protagonisten herauszufinden, welchen Umfang eine Entschädigung haben kann. Sie stellen fest, dass eine Pflicht des Staates zur Entschädigung für alle gesundheitlichen Schäden besteht, die auf Grund der speziellen Situation auftreten, die die Gesetze regeln.
Ist ein*e Soldat*in beispielsweise gesetzlich dazu verpflichtet, bestimmte Impfungen vornehmen zu lassen, damit die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr auch im Ausland jederzeit sichergestellt ist, muss der Staat für Impfschäden aufkommen, die aufgrund dieser Impfpflicht aufgetreten sind.
Wer Opfer einer vorsätzlichen, rechtswidrigen Gewalttat wird, kann Entschädigungsleistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz erhalten. Macht die Art der Verletzung eine Impfung (beispielsweise gegen Tetanus) notwendig und führt diese Impfung zu einem gesundheitlichen Schaden, kommt hierfür eine Entschädigung nach dem Opferentschädigungsgesetz in Betracht.
Wenn der Impfschaden durch die Corona-Schutzimpfung auftritt
Seit Wochen laufen die Impfung gegen Corona. Wären Mark und Lisa auch hier gegen Schäden geschützt?
§ 60 des Infektionsschutzgesetzes befasst sich mit der Versorgung bei Impfschäden und bei Gesundheitsschäden durch andere Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe.
Wer durch eine Schutzimpfung oder durch eine andere Maßnahme der spezifischen Prophylaxe eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält nach der Schutzimpfung wegen des Impfschadens eine Entschädigung nach dem Bundesversorgungsgesetz.
Die Impfung muss empfohlen sein
Voraussetzung dafür ist, dass die Schutzimpfung beziehungsweise spezifische Prophylaxe von einer zuständigen Landesbehörde öffentlich empfohlenen und in deren Bereich vorgenommen wurde. Sie muss darüber hinaus nach dem Infektionsschutz angeordnet worden, gesetzlich vorgeschrieben oder aufgrund internationaler Gesundheitsvorschriften durchgeführt worden sein.
Diese Voraussetzungen erfüllt eine Schutzimpfung gegen Corona. Daran besteht für Mark und Lisa kein Zweifel. Dies gilt insbesondere auch für Impfstoffe, die zugelassen wurden und auf Empfehlung der Ständigen Impfkommission sowie mehrerer Wissenschaftlicher Institute (Paul-Ehrlich-Institut und Robert-Koch-Institut) verabreicht werden, selbst wenn gewisse Nebenwirkungen von vorneherein bekannt sind.
Schwierigkeiten gibt es dennoch
Damit scheint den beiden zunächst alles klar zu sein. Ganz so einfach ist es jedoch nicht, stellen Mark und Lisa fest.
Sie finden im Internet eine aktuelle Entscheidung des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen. Das Gericht befasste sich mit Entschädigungsleistungen an einen Soldaten, der einen Impfschaden geltend gemacht hatte.
Es ging dort natürlich noch nicht um Corona. Der Soldat musste sich wegen eines bevorstehenden Auslandsaufenthaltes einer Gelbfieberimpfung unterziehen und erkrankte. Er beantragte eine Entschädigung nach dem Soldatenversorgungsgesetz, die seinen Gesundheitsschaden ausgleichen sollten.
Das Landessozialgericht äußert sich zu den Voraussetzungen eines Impfschadens
Entschädigung wegen eines Impfschadens kann es nach diesem Urteil nur geben, wenn der Zusammenhang zwischen Impfung und Gesundheitsschaden nach gesicherten medizinischen Erkenntnissen feststeht. Eine bloße Möglichkeit, dass der Impfstoff eine schädigende Wirkung gehabt haben könnte, reicht demnach nicht aus.
Der Soldat klagte nach der Impfung über Schwindel, Sprachprobleme, eine verlangsamte Bewegung der Augen und auch eine allgemeine Unbeweglichkeit. Der Truppenarzt hielt zunächst noch einen Zusammenhang der Beschwerden mit der Impfung für möglich.
Den ursächliche Zusammenhang konnte der Soldat nicht nachweisen
Eine Entschädigung wollte die Bundeswehr dennoch nicht zahlen. Sie hatte im Vorfeld Hinweise dafür erkannt, dass die Krankheit schon zuvor aufgetreten sein könnte. Das Gericht holte mehrere Gutachten ein. Diese bestätigten die Vermutung der Bundeswehr. Die genaue Ursache für die Gesundheitsstörungen konnte nicht festgestellt werden; sie blieb bis zum Schluss offen.
Das Gericht verwies darauf, dass der aktuelle Stand der medizinischen Forschung maßgeblich sei. Der Impfstoff gegen Gelbfieber komme zwar bereits millionenfach zur Anwendung. Es gebe aber keine Berichte über ähnliche Fälle wie den des Klägers.
Das sei ein Indiz für eine andere Ursache seiner Erkrankung. Hinzu kämen Krankheitssymptome des Soldaten, die schon vor der Impfung aufgetreten waren. Das gelte beispielsweise für die veränderten Augenbewegungen, die der Gutachter auf eine Überarbeitung zurückgeführt habe.
Die Ursache blieb offen
Neben der angeschuldigten Impfung käme auch eine infektiöse oder eine autoimmune Ursache für die Erkrankung in Betracht, so das Landessozialgericht. Der Kläger habe sich von vielen Fachärzten untersuchen lassen. Die genaue Ursache für seine Erkrankung habe keiner dieser Ärzte belegen können.
Die Bundeswehr musste damit bei diesem Soldaten keine Entschädigung für einen Impfschaden zahlen.
Mark und Lisa haben damit herausgefunden, dass keineswegs jede Gesundheitsstörung, die zeitlich nach einer Impfung auftritt, auch ein Impfschaden sein muss. Wie auch beim Arbeitsunfall oder der Berufskrankheit muss der Geschädigte den ursächliche Zusammenhang belegen.
Dabei ist immer auch wichtig, ob und inwieweit es schon zu vergleichbaren Fällen gekommen ist. Auch die eigenen Vorerkrankungen spielen eine Rolle. Lässt sich die Ursache für einen Gesundheitsschaden gar nicht finden, steht das ebenfalls der Anerkennung eines Impfschadens entgegen.
Mark und Lisa wollen sich dennoch impfen lassen. Das Risiko, schwer an Corona zu erkranken, ist für sie größer als die Gefahr, einen Impfschaden zu erleiden. Sie sehen sich im Fall eines Impfschadens auch durch den Staat ausreichend abgesichert.
Impfschäden können auch Arbeitsunfälle sein
Bei ihren Recherchen sind Mark und Lisa auf weitere interessante Themen im Zusammenhang mit Impfungen gestoßen.
Es gibt Arbeitgeber, die in ihren Betriebsräumen Impfungen durchführen lassen. Alle Beschäftigte dürfen daran teilnehmen und werden für die Impfung von der Arbeit freigestellt. Auch nach solchen Impfungen ist es mitunter zu Impfschäden gekommen.
Betroffene stellen dann einen Antrag bei der zuständigen Berufsgenossenschaft. Dabei geht es um die Anerkennung eines Arbeitsunfalles. Gerichte haben auch schon über die Haftung eines Betriebsarztes im Zusammenhang mit einem Anspruch auf Schmerzensgeld entschieden. Hierzu finden Sie bei uns weitere Artikel.
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 28. Januar 2021
Lesen Sie mehr:
Impfschaden als Arbeitsunfall?
Arbeitgeberhaftung für Impfschäden?
Rechtliche Grundlagen
§ 60 Infektionsschutzgesetz
§ 60 Versorgung bei Impfschaden und bei Gesundheitsschäden durch andere Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe
(1) Wer durch eine Schutzimpfung oder durch eine andere Maßnahme der spezifischen Prophylaxe, die
1.
von einer zuständigen Landesbehörde öffentlich empfohlen und in ihrem Bereich vorgenommen wurde,
2.
auf Grund dieses Gesetzes angeordnet wurde,
3.
gesetzlich vorgeschrieben war oder
4.
auf Grund der Verordnungen zur Ausführung der Internationalen Gesundheitsvorschriften durchgeführt worden ist,
eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält nach der Schutzimpfung wegen des Impfschadens im Sinne des § 2 Nr. 11 oder in dessen entsprechender Anwendung bei einer anderen Maßnahme wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes, soweit dieses Gesetz nichts Abweichendes bestimmt. Satz 1 Nr. 4 gilt nur für Personen, die zum Zwecke der Wiedereinreise in den Geltungsbereich dieses Gesetzes geimpft wurden und die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Gebiet haben oder nur vorübergehend aus beruflichen Gründen oder zum Zwecke der Ausbildung aufgegeben haben, sowie deren Angehörige, die mit ihnen in häuslicher Gemeinschaft leben. Als Angehörige gelten die in § 10 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch genannten Personen.
(2) Versorgung im Sinne des Absatzes 1 erhält auch, wer als Deutscher außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes einen Impfschaden durch eine Impfung erlitten hat, zu der er auf Grund des Impfgesetzes vom 8. April 1874 in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 2126-5, veröffentlichten bereinigten Fassung, bei einem Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes verpflichtet gewesen wäre. Die Versorgung wird nur gewährt, wenn der Geschädigte
1.
nicht im Geltungsbereich dieses Gesetzes geimpft werden konnte,
2.
von einem Arzt geimpft worden ist und
3.
zur Zeit der Impfung in häuslicher Gemeinschaft mit einem Elternteil oder einem Sorgeberechtigten gelebt hat, der sich zur Zeit der Impfung aus beruflichen Gründen oder zur Ausbildung nicht nur vorübergehend außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes aufgehalten hat.
(3) Versorgung im Sinne des Absatzes 1 erhält auch, wer außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes einen Impfschaden erlitten hat infolge einer Pockenimpfung auf Grund des Impfgesetzes oder infolge einer Pockenimpfung, die in den in § 1 Abs. 2 Nr. 3 des Bundesvertriebenengesetzes bezeichneten Gebieten, in der Deutschen Demokratischen Republik oder in Berlin (Ost) gesetzlich vorgeschrieben oder auf Grund eines Gesetzes angeordnet worden ist oder war, soweit nicht auf Grund anderer gesetzlicher Vorschriften Entschädigung gewährt wird. Ansprüche nach Satz 1 kann nur geltend machen, wer
1.
als Deutscher bis zum 8. Mai 1945,
2.
als Berechtigter nach den §§ 1 bis 4 des Bundesvertriebenengesetzes oder des § 1 des Flüchtlingshilfegesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Mai 1971 (BGBl. I S. 681), das zuletzt durch Artikel 24 des Gesetzes vom 26. Mai 1994 (BGBl. I S. 1014) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung,
3.
als Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers im Sinne des § 7 Abs. 2 des Bundesvertriebenengesetzes oder
4.
im Wege der Familienzusammenführung gemäß § 94 des Bundesvertriebenengesetzes in der vor dem 1. Januar 1993 geltenden Fassung
seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes genommen hat oder nimmt.
(4) Die Hinterbliebenen eines Geschädigten im Sinne der Absätze 1 bis 3 erhalten auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes. Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft erhalten Leistungen in entsprechender Anwendung der §§ 40, 40a und 41 des Bundesversorgungsgesetzes, sofern ein Partner an den Schädigungsfolgen verstorben ist und der andere unter Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit die Betreuung eines gemeinschaftlichen Kindes ausübt; dieser Anspruch ist auf die ersten drei Lebensjahre des Kindes beschränkt. Satz 2 gilt entsprechend, wenn ein Partner in der Zeit zwischen dem 1. November 1994 und dem 23. Juni 2006 an den Schädigungsfolgen verstorben ist.
(5) Als Impfschaden im Sinne des § 2 Nr. 11 gelten auch die Folgen einer gesundheitlichen Schädigung, die durch einen Unfall unter den Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Buchstabe e oder f oder des § 8a des Bundesversorgungsgesetzes herbeigeführt worden sind. Einem Impfschaden im Sinne des Satzes 1 steht die Beschädigung eines am Körper getragenen Hilfsmittels, einer Brille, von Kontaktlinsen oder von Zahnersatz infolge eines Impfschadens im Sinne des Absatzes 1 oder eines Unfalls im Sinne des Satzes 1 gleich.
(6) Im Rahmen der Versorgung nach Absatz 1 bis 5 finden die Vorschriften des zweiten Kapitels des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch über den Schutz der Sozialdaten Anwendung.