Wer Opfer einer Gewalttat wird, kann Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz beanspruchen. Coryright by Adobe Stock/Akin Ozcan
Wer Opfer einer Gewalttat wird, kann Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz beanspruchen. Coryright by Adobe Stock/Akin Ozcan

Die 70-jährige Klägerin war vor zehn Jahren Opfer einer Gewalttat geworden. Sie erlitt ein schweres Schädel-Hirn-Trauma mit bleibenden Kopfverletzungen. Das Land Sachsen bewilligte ihr deshalb eine Grundrente nach dem Opferentschädigungsgesetz. Es erkannte einen Grad der Schädigungsfolgen von 50 sowie eine besondere berufliche Betroffenheit der Klägerin an.
 

Die Klägerin erhielt auch eine Rente aus einer privaten Unfallversicherung

Die Klägerin hatte zuvor als kaufmännische Angestellte gearbeitet. Neben der Grundrente erhielt sie einen Berufsschadenausgleich. Das Land Sachsen rechnete auf diesen Berufsschadensausgleich eine Unfallrente der Klägerin aus einer privaten Unfallversicherung an. Die Versicherung hatte der Ehemann der Klägerin als Versicherungsnehmer für seine Frau abgeschlossen. Die private Unfallrente belief sich auf monatlich 990 €.
 
Die Klägerin war mit der Anrechnung der Rente nicht einverstanden. Das Sozialgericht wies ihre Klage jedoch ab. Das Landessozialgericht war anderer Auffassung. Der Beklagte dürfe die private Unfallversicherung nicht anrechnen, heißt es in der dortigen Entscheidung. Der Beklagte legte gegen dieses Urteil Revision beim Bundessozialgericht ein.
 

Das Verfahren ging bis zum Bundessozialgericht

Das Bundessozialgericht stellt nun fest, das Land dürfe die vom Ehemann der Klägerin finanzierte private Unfallrente bei der Berechnung des Berufsschadensausgleichs nicht berücksichtigen. Das Gesetz regele genau, was auf den Berufsschadensausgleich angerechnet werden dürfe. Das seien Einnahmen aus Vermögen, das Beschäftigte mit Einkünften aus einer Erwerbstätigkeit geschaffen hätten. Damit müsse die Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben beabsichtigt worden sein.
 

Die private Unfallrente ist kein „Vermögen“

Es fehle dabei schon an der Voraussetzung, dass es sich nach dem Gesetzestext um Vermögen handeln müsse, das der Beschädigte mit Einkünften aus Erwerbstätigkeit geschaffen habe. Der Ehemann der Klägerin habe Prämien in Form von Beiträgen für die private Unfallversicherung an den Versicherer gezahlt. Dies sei weder ganz noch teilweise aus dem Einkommen aus der früheren Erwerbstätigkeit der Klägerin geschehen.
 
Versicherungsnehmer sei der Ehemann gewesen. Er allein habe die Versicherungsbeiträge ohne Bezug zum Erwerbseinkommen der Klägerin gezahlt. Er habe auch keine gesetzliche Verpflichtung gehabt, den Versicherungsvertrag zugunsten einer Ehefrau abzuschließen.
 

Die Unfallrente ist keine „Einnahme aus Erwerbstätigkeit“

Die Unfallrente gehöre auch nicht zu den "Einnahmen in Geld oder Geldeswert aus einer früheren oder gegenwärtigen unselbstständigen Tätigkeit," wie das Gesetz weiter bestimme. Der Maßstab der "eigenen Arbeitsleistung" präge den Berufsschadensausgleich. Einnahmen kämen nicht als derzeitiges Bruttoeinkommen in Betracht, wenn es sich um Erträge eines nicht durch eigene Arbeit geschaffenen Vermögens oder Vermögensgegenstandes handele.
 
Die Klägerin hatte damit Glück im Unglück. Die Tatsache, dass ihr Ehemann den Versicherungsvertrag auf eigenen Namen abgeschlossen hatte und auch die Beiträge gezahlt hatte, bescherte ihr die Unfallrente aus der Privatversicherung zuzüglich zum Berufsschadensausgleich nach dem Opferentschädigungsgesetz.

Hier geht es zum Urteil

Rechtliche Grundlagen

§ 8 BSchAV

Verordnung zur Durchführung des § 30 Absatz 3 bis 12 und des § 40a Absatz 1 und 5 des Bundesversorgungsgesetzes (Berufsschadensausgleichsverordnung - BSchAV)
§ 8 Derzeitiges Bruttoeinkommen
(1) Als derzeitiges Bruttoeinkommen gelten, soweit in § 30 Absatz 11 Satz 1 und § 64c Absatz 2 Satz 2 und 3 des Bundesversorgungsgesetzes sowie in § 9 nichts anderes bestimmt ist,
1.
alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert aus einer früheren oder gegenwärtigen unselbstständigen Tätigkeit und
2.
der Wert der eigenen Arbeitsleistung in einer gegenwärtigen selbstständigen Tätigkeit und Einnahmen aus einer früheren selbstständigen Tätigkeit.
Als Wert der eigenen Arbeitsleistung ist das Grundgehalt der Stufe 8 der Besoldungsgruppe der Bundesbesoldungsordnung A zu berücksichtigen, das Beamten des Bundes in vergleichbarer Stellung zu zahlen wäre. Die Bewertung von Einkünften, die nicht in Geld bestehen (Wohnung, Verpflegung, Heizung und sonstige Sachbezüge), richtet sich nach der Ausgleichsrentenverordnung.
(2) Zu den Einnahmen aus früherer unselbstständiger oder selbstständiger Tätigkeit gehören insbesondere
1.
Wartegelder, Ruhegelder und andere Bezüge und Vorteile aus früheren Dienstleistungen,
2.
Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen mit Ausnahme der auf Kindererziehungszeiten beruhenden Rentenanteile sowie mit Ausnahme des Rentenanteils, der auf freiwilligen Beiträgen beruht, die Beschädigte nicht – auch nicht mittelbar – aus Einkünften aus einer Erwerbstätigkeit entrichtet haben,
3.
Einnahmen aus Vermögen, das Beschädigte mit Einkünften aus einer Erwerbstätigkeit geschaffen haben, um sich nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben den Lebensunterhalt zu sichern,
4.
laufende Leistungen aus einer berufsständischen Versorgungseinrichtung,
5.
die Altersrente, die Rente wegen Erwerbsminderung und die Landabgaberente nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte,
6.
Renten aus der gesetzlichen Unfallversicherung und Renten auf Grund von Schadensersatzansprüchen wegen entgangenen Arbeitsverdienstes,
7.
Renten nach dem Bundesentschädigungsgesetz wegen eines Schadens im beruflichen und wirtschaftlichen Fortkommen und
8.
wiederkehrende Leistungen auf Grund des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für Angehörige des öffentlichen Dienstes.
(3) Einkommen aus früherer Tätigkeit, das infolge eines Versorgungsausgleichs in seiner Höhe verändert ist, ist stets mit dem Betrag anzurechnen, der sich ohne den Versorgungsausgleich ergäbe. Satz 1 gilt entsprechend, wenn das Einkommen aus früherer Tätigkeit infolge des Hinzutretens eines Anspruchs auf Hinterbliebenenversorgung in seiner Höhe verändert ist.
(4) Zu den Einnahmen aus gegenwärtiger Erwerbstätigkeit gehören auch Arbeitslosengeld, Teilarbeitslosengeld, Kurzarbeitergeld, Übergangsgeld und nicht darlehensweise gezahltes Unterhaltsgeld nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch sowie Elterngeld im Sinne des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes in Höhe des jeweils gezahlten Betrags, der den jeweils maßgeblichen Betrag nach § 10 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes übersteigt. Bei Versorgungskrankengeld, Krankengeld und Verletztengeld gilt, sofern diese Leistungen nicht nach einem zuvor bezogenen Arbeitslosengeld, Teilarbeitslosengeld oder Unterhaltsgeld nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch bemessen sind, als derzeitiges Bruttoeinkommen im Sinne des Absatzes 1 das Bruttoeinkommen, das der Berechnung dieser Leistungen zugrunde liegt, gegebenenfalls vom Zeitpunkt einer Anpassung der Leistung an erhöht um den Vomhundertsatz, um den der Bemessungsbetrag zuletzt gemäß § 56 Absatz 1 Satz 2 des Bundesversorgungsgesetzes erhöht worden ist. Bei Konkursausfallgeld (Insolvenzgeld) nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch gilt als Einkommen aus gegenwärtiger Erwerbstätigkeit das Bruttoeinkommen, das der Berechnung dieser Leistung zugrunde liegt. Bei gewerkschaftlichen Unterstützungsleistungen aus Anlass von Arbeitskämpfen gilt als derzeitiges Bruttoeinkommen das bis unmittelbar vor Beginn der Streikmaßnahme erzielte Einkommen aus gegenwärtiger Tätigkeit.
(5) Wird anstelle der Leistungen im Sinne der Absätze 1 und 2 eine Kapitalentschädigung gewährt, so gilt als derzeitiges Bruttoeinkommen ein Betrag in Höhe des der Kapitalentschädigung zugrunde gelegten Rentenbetrages.
(6) Wird wegen eines Nachschadens statt einer schädigungsbedingt gezahlten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit eine Rente wegen voller Erwerbsminderung oder Erwerbsunfähigkeit gezahlt, ist weiterhin der Betrag als Einkommen anzusetzen, der als Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit zu zahlen wäre.
(7) Haben Beschädigte ohne verständigen Grund über Einkünfte aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit in einer Weise verfügt, dass dadurch ihr bei der Feststellung des Einkommensverlustes zu berücksichtigendes Einkommen gemindert wird, ohne dass ein Nachschaden im Sinne des § 30 Absatz 11 oder ein Fall des § 64c Absatz 2 Satz 2 oder 3 des Bundesversorgungsgesetzes vorliegt, ist bei der Feststellung des Einkommensverlustes der Betrag als Einkommen anzusetzen, den Beschädigte ohne die einkommensmindernde Verfügung erzielen könnten. Dies gilt auch, wenn Beschädigte Ansprüche auf Leistungen der in den Absätzen 1 bis 5 genannten Art nicht geltend machen oder gemacht haben. Nehmen Beschädigte eine gesetzliche oder vertragliche Möglichkeit des gleitenden Übergangs in den Ruhestand wahr und setzen deswegen ihre Arbeitszeit unter Verzicht auf Erwerbseinkommen herab, gilt der Betrag als derzeitiges Bruttoeinkommen, den Beschädigte ohne ihr einkommensminderndes Handeln erzielen könnten, es sei denn, sie machen glaubhaft, dass sie ohne die Schädigung noch in bisherigem Umfang erwerbstätig wären. Sind Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation mit Erfolg durchgeführt worden und nehmen Beschädigte den hiernach möglichen Einkommenserwerb ohne verständigen Grund nicht ausreichend wahr, so ist als Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit ein Durchschnittseinkommen in entsprechender Anwendung des § 30 Absatz 11 des Bundesversorgungsgesetzes anzurechnen.
(8) Bleibt das derzeitige Bruttoeinkommen, das Beschädigten, die mindestens ein Viertel der Zeit ihrer Berufstätigkeit selbstständig tätig gewesen sind, zur Verfügung steht, nach ihrem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben erheblich hinter einem Betrag zurück, der in einem angemessenen Verhältnis zu dem nach Absatz 1 Satz 1 letzter Halbsatz zu berücksichtigenden Einkommen steht, ist der Fehlbetrag dem derzeitigen Bruttoeinkommen hinzuzurechnen. Der Fehlbetrag ist wie folgt zu schätzen: Das Grundgehalt der Stufe 8 der Besoldungsgruppe der Bundesbesoldungsordnung A, das einem nichtbeschädigten Beamten des Bundes in vergleichbarer Stellung zu zahlen wäre, ist um den Anteil zu mindern, um den im Durchschnitt des Erwerbslebens die gesundheitliche Fähigkeit der Beschädigten, ihre Berufstätigkeit auszuüben, eingeschränkt war. Für jedes Jahr der Erwerbstätigkeit sind 1,67 vom Hundert dieses Ergebnisses, bezogen auf das aktuelle Einkommen, als Vergleichswert anzusetzen. Erreicht das derzeitige Bruttoeinkommen nicht drei Viertel des Vergleichswertes, ist dieser Betrag das derzeitige Bruttoeinkommen. Der Betrag ist in entsprechender Anwendung des § 30 Absatz 10 Satz 4 des Bundesversorgungsgesetzes zu verändern. Die Sätze 1 bis 5 gelten nicht, wenn der Berufsschadensausgleich für den Monat Juni 1990 bereits unter Anrechnung des tatsächlich erzielten derzeitigen Bruttoeinkommens festgestellt war.