Geklagt hatte ein Mann, dem 1992 nach Entfernung eines Geschwulstes ein Grad der Behinderung von 50 zuerkannt wurde. OP und Krebsbehandlung waren erfolgreich. Das Versorgungsamt hatte 1993 einen Schwerbehindertenausweis ausgestellt und diesen in den Jahren 1997 und 2002 ohne weitere Prüfung jeweils um fünf Jahre verlängert und ihn schließlich im Jahr 2007 unbefristet erteilt.

Überprüfung nach Heilungsbewährung blieb aus

Die Feststellung eines Grades der Behinderung von 50 erfolgte auf der Grundlage der sogenannten Heilungsbewährung. Nach Behandlung bestimmter Krankheiten, die zu Rückfällen neigen, insbesondere bei bösartigen Geschwulsterkrankungen, ist eine Heilungsbewährung abzuwarten. Der Zeitraum der Heilungsbewährung beträgt in der Regel fünf Jahre. In dieser Zeit wird ohne weitere Prüfung eine Schwerbehinderung angenommen, die genaue Höhe richtet sich nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen. Nach Ablauf der Zeit richtet sich der Grad der Behinderung dann wieder nach den tatsächlich bestehenden Beeinträchtigungen.


Das Versorgungsamt hatte in diesem Fall “vergessen“ nach Ablauf der Heilungsbewährung (Juli 1997) eine Überprüfung vorzunehmen. Dies wurde erst 2012 nachgeholt und die  Schwerbehinderteneigenschaft entzogen. 


Um seinen Schwerbehindertenstatus zu behalten, erhob der Kläger Widerspruch und sodann Klage. Das Sozialgericht Ulm gab der Klage statt und sah das Recht des Versorgungsamtes zur Aufhebung als verwirkt an. 


Dem schloss sich das Landessozialgericht, das die Behörde in der Berufung angerufen hatte, nicht an. 

Nach erfolgreicher Heilung Aufhebung der Schwerbehinderteneigenschaft auch noch nach vielen Jahren zulässig

Die Revision des Klägers war erfolglos. Er hatte diese darauf gestützt, wegen der Ausstellung des unbefristeten Schwerbehindertenausweises habe er darauf vertrauen dürfen, seinen Status als Schwerbehinderter auf Dauer behalten zu können.


Obwohl das Versorgungsamt schon 1997 – nach Ablauf der Heilungsbewährung – den Grad der Behinderung hätte herabsetzen können, dies unterließ und sogar 2007 den Schwerbehindertenausweis unbefristet ausstellte, durfte der Status der Schwerbehinderung noch entzogen werden, so das Gericht.  


Die Aufhebung der Schwerbehinderteneigenschaft sei nach erfolgreicher Heilung auch noch nach vielen Jahren zulässig. Die jahrelange Untätigkeit des Versorgungsamtes mache die Aufhebung für die Zukunft nicht rechtswidrig. Hier spielten auch die mehr als 10 Jahre, die seit Ablauf der Heilungsbewährung verstrichen sind, keine Rolle und § 45 Absatz 3 Satz 2 SGB X half dem Kläger nicht weiter. Denn: Danach sei nur die rückwirkende Aufhebung eines Dauerverwaltungsakts ausgeschlossen, nicht dagegen auch die Aufhebung mit Wirkung für die Zukunft.

BSG verneint Verwirkung und Vertrauensschutz

Auch ein schutzwürdiges Vertrauen des Klägers verneinte das BSG. Der Kläger habe nicht darauf vertrauen dürfen, für immer seinen Status als Schwerbehinderter behalten zu können. Wichtig war für das Gericht dabei, dass der Gesundheitszustand des Mannes schon lange keine Schwerbehinderung mehr gerechtfertigt hatte. Die unbefristete Ausstellung des Schwerbehindertenausweises begründe dabei für sich genommen keine Rechte, sondern dokumentiere nur die zu Grunde liegende Feststellung. Damit begründe die Ausstellung eines unbefristeten Schwerbehindertenausweises kein schützenswertes Vertrauen auf den Fortbestand der zugrunde liegenden Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft.


In puncto Verwirkung schloss sich das BSG der Vorinstanz an. Das Versorgungsamt habe sein Aufhebungsrecht nicht verwirkt. Weder in der langen Untätigkeit noch in Verlängerung und dem unbefristeten Ausstellen des Schwerbehindertenausweises läge eine Erklärung dahingehend, man habe trotz Besserung des gesundheitlichen Zustands auf die Aufhebung verzichten wollen. 

 

Die Pressemitteilung des Bundessozialgerichts vom 11.08.15 können Sie hier nachlesen:

Die Versorgungsmedizinischen Grundsätze können Sie online hier einsehen

Hier kann das vollständige Urteil des Landessozialgericht Baden-Württemberg vom 30.01.2015 (L 8 SB 2523/14) nachgelesen werden.