Geklagt vor dem höchsten deutschen Verwaltungsgericht hatten 14 Feuerwehrbeamte, die in den Diensten verschiedener brandenburgischer Kommunen stehen.


Zu den Klägern zählte auch ein Feuerwehrmann, der durch Karsten Jessolat, Leiter des Gewerkschaftlichen Centrum für Revision und Europäisches Recht der DGB Rechtsschutz GmbH, vertreten wurde.

Freiwillig über die zulässige Höchstarbeitszeit gearbeitet

Die Feuerwehrleute hatten sich freiwillig bereit erklärt, über die Höchstarbeitszeit hinaus bis zu 56 Stunden pro Woche zu arbeiten. Dies war nach einer Verordnung des Landes Brandenburg über die Regelung der Arbeitszeit für Feuerwehrleute möglich.

Mit ihrer vor den Verwaltungsgerichten erhobenen Klage begehrten die Kläger einen Freizeitausgleich für die in den Jahren 2009 bis 2013 über die unionsrechtlich zulässige Höchstarbeitszeit hinaus geleistete Arbeit.

Fehlerhafte Umsetzung der EU-Arbeitszeitrichtlinie begründet Ausgleichsanspruch

Sie vertraten die Auffassung, dass die in Artikel 22 RL 2003/88/EG (EU-Arbeitszeitrichtlinie) vorgesehene Möglichkeit, von der Höchstarbeitszeit abzuweichen („Opt-Out-Regelung“), mit der Arbeitszeitverordnung des Landes Brandenburg fehlerhaft umgesetzt wurde.

Ein Abweichen von europarechtlichen Vorgaben durch den nationalen Gesetzgeber führe zu einem unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch, der in vorliegendem Fall einen Ausgleichsanspruch für zu viel geleistete Arbeit begründen würde.

Bereits die Vorinstanzen, Verwaltungsgericht Potsdam und Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hatten den Klagen im Wesentlichen stattgegeben und den unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch bejaht.

Bundesverwaltungsgericht bestätigt Vorinstanzen

Mit seiner Entscheidung vom 20.07.2017 hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts die vorinstanzlichen Entscheidungen dem Grunde nach bestätigt.

Selbst wenn man davon ausgehe, dass die beklagten Kommunen die fehlerhafte Umsetzung des Unionsrechts nicht zu vertreten hätten, weil Verordnungsgeber  das Land Brandenburg war, sei diesen die Anwendung des gegen das Unionsrecht verstoßenden Landesrechts anzulasten.

Sie hätten den Anwendungsvorrang unionsrechtlicher Vorschriften nicht beachtet. Offenkundig verletzen die Rechtsverordnungen das in der EU-Arbeitszeitrichtlinie geregelte Nachteilsverbot, wonach keinem Arbeitnehmer Nachteile daraus entstehen dürfen, wenn dieser nicht bereit ist, mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten.

Offenkundiger Verstoß gegen EU-Recht

Dieses Nachteilsverbot habe der brandenburgische Gesetzgeber erst in einer im Jahr 2014 in Kraft getretenen Rechtsverordnung über die Arbeitszeit von Feuerwehrbeamten normiert.

Der offenkundige Verstoß gegen die EU-Arbeitszeitrichtlinie, so Karsten Jessolat, besteht darin, dass der Landesgesetzgeber in der Arbeitszeitverordnung für Feuerwehrbeamte das Nachteilsverbot nicht ausdrücklich geregelt hat. Danach dürfen keinem Arbeitnehmer dadurch Nachteile entstehen, dass er sich nicht bereit erklärt, über die europarechtlich zulässige Höchstarbeitszeit hinaus zu arbeiten.

Der nationale Gesetzgeber hat nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union die Umsetzung europäischer Normen hinreichend klar und deutlich zu formulieren. Im Hinblick auf das Nachteilsverbot bedeutet dies, dass es in der Arbeitszeitverordnung ausdrücklich hätte betont werden müssen, was zumindest bis zum Jahr 2014 nicht der Fall war.

Finanzieller Ausgleich darf nicht pauschal erfolgen

Das Bundesverwaltungsgericht hat den Rechtsstreit wegen der Berechnung der Freizeitausgleichsansprüche an das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zurückverwiesen, da diese nach den Grundsätzen über die Mehrarbeitsvergütung auszugleichen sind.

Der finanzielle Ausgleich erfolgt dabei nicht pauschal nach der Differenz zwischen der Höchstarbeitszeit und der genehmigten Zuvielarbeit. Er richtet sich vielmehr nach den vom Beamten konkret geleisteten Dienststunden.

Hier finden Sie die Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts zu den Urteilen vom 20.07.2017

Hier geht es zum Artikel 22 RL 2003/88/EG (EU-Arbeitszeitrichtlinie)

Das sagen wir dazu:

Die Entscheidungen des BVerwG vom 20.07.2017 sind begrüßenswert, da hierdurch ein höchstes Bundesgericht einmal mehr festgelegt hat, welche Anforderungen an die Umsetzung europäischer Normen durch den nationalen Gesetzgeber gestellt werden.

Diese Entscheidung könnte auch Bedeutung für das Arbeitsrecht haben. Zwar ist im Arbeitszeitgesetz das Nachteilsverbot ausdrücklich geregelt. Jedoch wird dieses in Tarifverträgen nicht immer umgesetzt. 

Tarifvertragliche Regelungen, die ein ausdrückliches Nachteilsverbot nicht enthalten, könnten daher unionsrechtswidrig sein.