„Das Bundesverwaltungsgericht hat den Prognosemaßstab für die gesundheitliche Eignung bei Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit geändert"
„Das Bundesverwaltungsgericht hat den Prognosemaßstab für die gesundheitliche Eignung bei Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit geändert"

In dem nunmehr höchst richterlich entschiedenen Verfahren wendet sich die Klägerin gegen ihre Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe und beansprucht die Ernennung zur Beamtin auf Lebenszeit, nachdem sie sich zunächst im Mutterschutz, Erziehungsurlaub bzw. Elternzeit befand und nachfolgend wegen der Folgewirkungen zweier Bandscheibenvorfälle dienstunfähig erkrankt war.

Nach einer stufenweisen Wiedereingliederung konnte sie wieder vollständig Dienst leisten, ist von ihrem Dienstherrn jedoch aus dem Beamtenverhältnis auf Probe wegen fehlender gesundheitlicher Eignung entlassen worden.
Das Bundesverwaltungsgericht konnte über das Verfahren abschließend nicht entscheiden und verwies die Rechtssache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurück.

Änderung der Rechtsprechung zugunsten der Beamten auf Probe

Von Bedeutung ist diese Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts dennoch, denn sie stellt eine Veränderung der Rechtsprechung zugunsten der betroffenen Beamten auf Probe dar.

Erkrankt ein Beamter auf Probe, so ist im Rahmen der Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit eine Prognose hinsichtlich der gesundheitlichen Eignung durch den Dienstherrn vorzunehmen.
Dem Dienstherrn steht hier bezüglich der Frage, ob der Bewerber den laufbahnbezogenen festgelegten Voraussetzungen in gesundheitlicher Hinsicht genügt, kein Beurteilungsspielraum zu.
Die Frage der gesundheitlichen Eignung von Bewerbern im Sinne von Artikel 33 Absatz 2 Grundgesetz (GG) ist mithin letztverantwortlich durch die Verwaltungsgerichte überprüfbar und zu entscheiden.
Die vorzunehmende prognostische Beurteilung, ob die gesundheitlichen Anforderungen der jeweiligen Laufbahn voraussichtlich auf Dauer erfüllt sind, ist aufgrund einer fundierten medizinischen Tatsachengrundlage zu treffen.

Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz

Hierbei hat das Bundesverwaltungsgericht nun festgestellt, dass die Auffassung der Vorinstanz, die Bewährung in gesundheitlicher Hinsicht erfordere, dass sich nach der prognostischen Einschätzung des Dienstherrn künftige Erkrankungen des Beamten und dauernde vorzeitige Dienstunfähigkeit mit einem hohen Grad der Wahrscheinlichkeit ausschließen lassen, mit Artikel 33 Absatz 2 GG unvereinbar sei.

Dieser Prognosemaßstab ist vom Bundesverwaltungsgericht bereits in einer weiteren Entscheidung vom 25.07.2013 in Bezug auf die Bewertung der gesundheitlichen Eignung im Rahmen der Ernennung zum Probebeamten aufgegeben worden.
Gleiches muss nun für die Prognoseentscheidung gelten, ob Probebeamte für die Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit gesundheitlich geeignet sind.
Das Bundesverwaltungsgericht weist allerdings darauf hin, dass das Lebenszeit- und das Alimentationsprinzip des Art. 33 Absatz 5 GG den Dienstherrn zur lebenslangen Versorgung von Ruhestandsbeamten verpflichten.
Dementsprechend könne der Dienstherr unter Berufung auf den gesundheitlichen Zustand eines Bewerbers die Begründung eines Beamtenverhältnisses grundsätzlich ablehnen, wenn absehbar sei, dass bei diesem das angemessene Verhältnis von Lebensdienstzeit und Ruhestandszeit voraussichtlich spürbar gestört sein werde.
Dies sei dann der Fall, wenn der Beamte vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze wegen dauernder Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt werde oder aber auch, wenn zwar die gesetzliche Altersgrenze im Dienst erreicht werde, es jedoch absehbar sei, dass wegen einer chronischen Erkrankung voraussichtlich regelmäßig erhebliche, dem Dienstherrn in der Gesamtheit nicht zumutbare Ausfallszeiten auftreten.
Hierbei müsse der Schluss gerechtfertigt sein, die Lebensdienstzeit sei erheblich verkürzt.
Prognosezeitraum ist die Zeit bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze.
Hier bleibt es unverändert bei der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungs-gerichts.
Allerdings soll maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der gesundheitlichen Eignung eines Probebeamten der Ablauf der Probezeit sein und nicht der Zeitpunkt des Erlasses der letzten Verwaltungsentscheidung.

Änderung des Prognosemaßstabes

Das Bundesverwaltungsgericht hat jedoch den maßgebenden Prognosemaßstab geändert.
Es hält an seiner bisherigen Rechtsprechung nicht mehr fest, wonach der Eintritt der Dienstunfähigkeit vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen sein muss.

Es bleibt zwar nunmehr zum Zeitpunkt des Ablaufes der Probezeit bei einer Prognoseentscheidung über die gesundheitliche Eignung für die Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit. Die gesundheitliche Eignung fehlt aber nur dann, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze eine Versetzung in den Ruhestand wegen dauernder Dienstunfähigkeit vorzeitig erfolgen muss. Diese objektiv nachprüfbaren Tatsachen sind in die Prognoseentscheidung einzubeziehen und gerichtlich voll überprüfbar.
Im Anschluss an das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 25.07.2013 fehlt es an einer gesundheitlichen Eignung auch dann, wenn mit überwiegender Wahrscheinlichkeit mit regelmäßigen krankheitsbedingten Ausfällen über Jahre hinweg und deshalb einer erheblich geringeren Lebensdienstzeit zu rechnen ist.

Susanne Theobald, Saarbrücken


Die vollständige Entscheidung finden Sie hier:

 

 

Rechtliche Grundlagen

Art. 33 GG

(1) Jeder Deutsche hat in jedem Lande die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.

(2) Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.

(3) Der Genuß bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte, die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dienste erworbenen Rechte sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. Niemandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnisse oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen.

(4) Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen.

(5) Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln.