Bewerbungsverfahrensanspruch und Ämterstabilität
Keine Beamtin und kein Beamter hat einen Anspruch darauf, befördert zu werden. Es besteht allerdings das Recht der Beamten, sich auf einen ausgeschriebenen freien Dienstposten in einem höheren Amt (Beförderungsdienstposten) zu bewerben. Wird die Bewerbung eines Beamten auf einen Beförderungsdienstposten abgelehnt, weil ein Konkurrent ausgewählt worden ist, kann der Beamte dagegen vorgehen: die Ablehnung stellt einen Verwaltungsakt dar, den der abgelehnte Bewerber anfechten kann. Der Dienstherr ist bei der Bewerberauswahl nämlich nicht frei, sondern hat sie nach Eignung, Befähigung und Leistung vorzunehmen. Das schreibt Artikel 33 Absatz 2 Grundgesetz (GG) vor. Grundlage für die Auswahl der Bewerber bildet insbesondere die letzte dienstliche Beurteilung. Auswählen muss der Dienstherr grundsätzlich denjenigen, der am besten beurteilt ist. Das nennt sich „Grundsatz der Bestenauslese“.
Der unterlegene Beamte kann aber seinen Bewerbungsverfahrensanspruch nur solange geltend machen, bis das Auswahlverfahren endgültig abgeschlossen ist. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn die Ernennung nach dem Grundsatz der Ämterstabilität nicht mehr rückgängig gemacht werden kann, sodass das Amt unwiderruflich vergeben ist. Hat also der Konkurrent seine Ernennungsurkunde bereits erhalten, geht der Bewerbungsverfahrensanspruch des Beamten unter. Das folgt aus dem sogenannten „Lebenszeitprinzip“. Grundsätzlich wird ein Beamter auf Lebenszeit in ein bestimmtes Statusamt ernannt. Das darf ihn nur unter bestimmten Voraussetzungen wieder entzogen werden, etwa weil er im Diziplinarverfahren degradiert oder entfernt worden ist oder weil er sich das Amt durch falsche Angaben „erschlichen“ hat. Hält er die Ernennungsurkunde in den Händen, ist er grundsätzlich auf der sicheren Seite.
Keine Ernennung vor Ausschöpfung des gerichtlichen Rechtsschutzes
Wenn der Beamte seinen Anspruch auf ein ordnungsgemäßes Auswahlverfahren durchsetzen will, muss er gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen. Aus Artikel 14 Absatz 4 Satz 1 GG folgt, dass jeder Rechtsschutz vor einem Gericht suchen kann, wenn er durch „die öffentliche Gewalt“ in seinen Rechten verletzt wird. Der Dienstherr darf einen Beamten nicht daran hindern, alle Rechtsschutzmöglichkeiten auszuschöpfen. Gemäß der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) ist der Dienstherr deshalb verpflichtet, vor Ernennung des von ihm ausgewählten Beamten
- dem unterlegenen Bewerber mitzuteilen, dass er nicht ausgewählt worden ist
- eine Frist von zwei Wochen nach der Mitteilung abzuwarten, bevor er dem erfolgreichen Bewerber die Ernennungsurkunde überreicht
Ist innerhalb der Zweiwochenfrist ein Antrag des unterlegenen Beamten auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Verwaltungsgericht eingegangen, darf der Dienstherr die Ernennung nicht vornehmen. Er muss vielmehr den Ausgang des Verfahrens abwarten. Hat das Gericht dem Antrag des unterlegenen Bewerbers nicht stattgegeben, muss der Dienstherr noch abwarten, ob der Beamte gegen den abweisenden Beschluss innerhalb von zwei Wochen Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht (OVG) einlegt. Unterliegt der Beamte auch dort, ist ihn zudem noch die Möglichkeit einzuräumen, binnen eines Monats das Bundesverfassungsgericht anzurufen.
Unbedingt einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung stellen
Will der unterlegene Bewerber gegen die Auswahlentscheidung des Dienstherrn vorgehen, sollte er also diese Entscheidung innerhalb eines Monats angreifen. In der Regel ist das zunächst einmal ein Widerspruch. Parallel sollte auf jeden Fall binnen zwei Wochen ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Verwaltungsgericht gestellt werden. Der Antrag muss genau bezeichnen, welcher Dienstposten bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht besetzt werden soll. Zudem sollte die Beiladung des ausgewählten Beamten beantragt werden. Dieser heißt dann im Verfahren „der Beigeladene“. Der Antragsteller muss seinen Anspruch zunächst nur glaubhaft machen. Hierzu dient häufig eine eidesstattliche Versicherung, dass die in der Antragsbegründung gemachten Angaben der Wahrheit entsprechen.
Der Beamte kann beim Gericht allerdings nicht seine Beförderung beantragen, sondern nur geltend machen, dass sein Bewerbungsverfahrensanspruch verletzt worden ist. Ziel einer Klage ist die Feststellung, dass der ausgeschriebene Dienstposten nicht mit dem Konkurrenten besetzt und das Auswahlverfahren unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts wiederholt wird. Im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird etwa folgender Antrag gestellt:
Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, den Dienstposten xyz mit dem Beigeladenen zu besetzen.
Betroffene Beamtinnen und Beamte sollten hiermit unbedingt einen rechtskundigen Vertreter beauftragen. Für Gewerkschaftsmitglieder stehen hierfür die erfahrenen Kolleginnen und Kollegen des Kompetenzcenters Beamtenrecht der DGB Rechtsschutz GmbH zur Verfügung.
Im Konkurrentenrechtsstreit ist das Eilverfahren die Hauptsache
Das Verfahren auf Erlass einer Einstweiligen Anordnung (Eilverfahren) darf in der Regel eine Entscheidung in der Hauptsache nicht vorwegnehmen. Es dient dazu, einstweilen eine rechtliche Regelung zu treffen, bis in der Hauptsache entschieden ist. In der Praxis entscheidet der Dienstherr über den Widerspruch des Beamten häufig aber gar nicht, während das Eilverfahren läuft. Das hat zur Folge:
- wenn das Eilverfahren rechtswirksam beendet ist, gibt es kein „laufendes Gerichtsverfahren“, weshalb der Dienstherr die Ernennung des Konkurrenten vornehmen kann!
Das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung stellt deshalb das wichtigste Rechtsmittel bei der Durchsetzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs dar. In der Rechtsprechungspraxis wird dem einstweiligen Rechtsschutz gleichsam die Funktion des Hauptsacheverfahrens zugewiesen. Der Dienstherr darf den ausgewählten Bewerber ernennen, wenn feststeht, dass der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung keinen Erfolg hat. Ein Hauptsacheverfahren findet dann wegen der Rechtsbeständigkeit der Ernennung nicht mehr statt. Das Bundesverwaltungsgericht hat diese Praxis bestätigt aber klargestellt, dass die Verwaltungsgerichte im Eilverfahren um Bewerbungsverfahrensansprüche eine umfassende tatsächliche und rechtliche Überprüfung der Bewerberauswahl durchführen müssen. Es reicht nicht aus, nur eine einfache summarische Überprüfung wie normalerweise in einstweiligen Rechtsschutz vorzunehmen. Allerdings dürfen die Gerichte die Anforderungen an einen Erfolg des unterlegenen Bewerbers nicht überspannen.
Was geschieht, wenn der Dienstherr vorzeitig die Urkunde überreicht?
Hat der Dienstherr gegen eine seiner genannten Pflichten verstoßen, geht der Anspruch des unterlegenen Bewerbers auf ein ordnungsgemäßes Auswahlverfahren nicht unter. Selbst wenn der ausgewählte Bewerber seine Ernennungsurkunde bereits erhalten hat, bleibt also der Anspruch bestehen. Der Dienstherr kann sich dann auf die Ämterstabilität nicht mehr berufen. Der unterlegene Bewerber kann mit einer Anfechtungsklage die Sache weiter verfolgen. Verstößt die Ernennung des Konkurrenten gegen die Rechte des unterlegenen Bewerbers aus Art. 33 Abs. 2 GG, hebt das Verwaltungsgericht die Ernennung mit Wirkung für die Zukunft auf mit der Folge, dass das Bewerbungs- bzw. Auswahlverfahren wiederholt werden muss.
Kann der Dienstherr das Bewerbungsverfahren einfach abbrechen?
In der Praxis kommt es vor, dass der Dienstherr das Stellenbesetzungsverfahren abbricht, nachdem bereits Bewerbungen auf einen ausgeschriebenen Dienstposten eingegangen sind. Da sich der Bewerbungsverfahrensanspruch immer auf ein konkretes Stellenbesetzungsverfahren bezieht, läuft ein etwaiger Antrag auf einstweilige Anordnung mit dem Ziel, das Verfahren zu wiederholen, ins Leere. Der Dienstherr hat sich entschieden, die Stelle nun doch endgültig nicht mehr zu besetzen. Das kann er auch grundsätzlich so entscheiden.
Interessant wird es, wenn der Dienstherr die Stelle zwar irgendwann noch besetzen will, das aktuelle Auswahlverfahren aber abbricht. Wirksam ist eine solche Entscheidung indes nur, wenn sie rechtmäßig ist. Und rechtmäßig ist sie nur, wenn es für den Abbruch einen sachlichen Grund gibt. Der Dienstherr kann demnach das Auswahlverfahren abbrechen, wenn es fehlerhaft ist und nicht mehr zu einer ordnungsgemäßen Auswahlentscheidung führen kann. Abbrechen kann er auch, wenn eine erneute Ausschreibung erforderlich wird, um eine hinreichende Anzahl leistungsstarker Bewerber zu erhalten. Aus Sicht des Dienstherrn war also der richtige Bewerber bislang nicht dabei. Der Dienstherr muss die Bewerber hiervon allerdings rechtzeitig und in geeigneter Form in Kenntnis setzen. Der wesentliche Abbruchgrund muss zudem schriftlich dokumentiert werden.
Geht ein Beamter, der wegen des Abbruchs des Auswahlverfahrens den Beförderungsdienstposten nicht bekommt, davon aus, dass der Abbruch des Auswahlverfahrens rechtswidrig war, kann er das durch das Verwaltungsgericht überprüfen lassen. Er muss dann binnen eines Monats nach Zugang der Abbruchmitteilung einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Verwaltungsgericht stellen. Stellt ein Bewerber innerhalb eines Monats nach Zugang der Abbruchmitteilung einen solchen Antrag nicht, darf der Dienstherr darauf vertrauen, dass der Bewerber den Abbruch des Auswahlverfahrens nicht angreift, sondern sein Begehren im Rahmen einer neuen Ausschreibung weiterverfolgt. Das ist zwar gesetzlich nicht geregelt, entspricht aber der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts.
Eventuell auch Anspruch auf Schadensersatz
Verfahren vor den Verwaltungsgerichten dauern erfahrungsgemäß einige Zeit. Wenn das wiederholte Auswahlverfahren ergibt, dass der zunächst abgelehnte Bewerber den Beförderungsdienstposten hätte von Anfang an erhalten müssen, wird er ja später befördert, als wenn das Bewerbungsverfahren ordnungsgemäß gelaufen wäre. Dadurch ist ihm ein Schaden entstanden etwa in Höhe der Differenz zwischen den Bezügen. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass der Beamten dann nach den Grundsätzen der Amtshaftung einen Schadensersatzanspruch gegen den Dienstherrn hat. Ein solcher Anspruch hat aber folgende Voraussetzungen:
- der Schaden muss ursächlich (kausal) auf eine rechtswidrig unterbliebene Beförderung zurückzuführen sein. Der Beamte muss zumindest reelle Aussichten gehabt haben, das angestrebte Amt zu erhalten. Seine Berücksichtigung muss nach Lage der Dinge ernsthaft möglich gewesen sein.
- der Beamte muss rechtzeitig mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die Auswahlentscheidung vorgegangen sein.
Vor Erhebung einer Leistungsklage ist der Schadensersatz beim Dienstherrn zunächst einmal zu beantragen und bei Ablehnung ein Widerspruchsverfahren durchführen. Dieses sogenannte Vorverfahren ist nur ausnahmsweise entbehrlich, wenn sich der Dienstherr gegenüber dem Beamten vorgerichtlich endgültig auf die Ablehnung eines Schadensersatzes festgelegt hat.
Ein Fall aus der Praxis
Wie wichtig es ist, das Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz äußerst sorgfältig zu betreiben, zeigt ein Fall aus der Praxis.
Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Bremen hatte über sie Klage eines Polizeioberkommissars zu entscheiden, der sich auf einen Dienstposten als Polizeihauptkommissar beworben hatte. Sein Rechtsanwalt hatte rechtzeitig einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Verwaltungsgericht gestellt. Konkret beantragt hatte er, dem Dienstherrn zu untersagen, den Dienstposten „ WV 20-21“ zu besetzen. Tatsächlich hatte sich sein Mandant aber auf einen Dienstposten mit der Bezeichnung „WV 14-41“ beworben und dieser war dann auch mit dem Konkurrenten besetzt worden. Etwa einen Monat nach Eingang des Antrages bei Gericht reichte der Anwalt einen Schriftsatz ein, mit dem er mitteilte, wegen offensichtlichen Schreibversehens müsse sein Antrag dahingehend berichtigt werden, dass es „WV 14-41“ heißen müsse. In der Zwischenzeit hatte der Konkurrent aber bereits seine Ernennungsurkunde erhalten.
Daraufhin hat der Beamte Klage beim Verwaltungsgericht (VG) erhoben mit dem Antrag, die Beförderungsentscheidung sowie der Ernennung des Konkurrenten aufzuheben, hilfsweise Schadensersatz wegen unterbliebener Beförderung zu gewähren. Der Beamte führte zur Begründung an, auf Ämterstabilität könne sich die Beklagte nicht berufen, weil sie dem Konkurrenten die Ernennungsurkunde überreicht habe, bevor das Gericht über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung rechtskräftig entschieden habe.
Das VG hat die Klage abgewiesen. Das OVG Bremen hat den Antrag auf Zulassung der Berufung abgelehnt im Wesentlichen mit folgender Begründung:
Es bestünde keine allgemeine Pflicht des Dienstherrn, dem Beamten zu helfen, seine prozessualen Pflichten in einem gegen den Dienstherrn gerichteten Verfahren zu erfüllen. Es obliege dem Beamten, den Gegenstand des Antragsbegehrens hinreichend bestimmt zu bezeichnen. Die Folgen einer ungenügenden Bezeichnung des Antragsbegehrens seien durch den Kläger zu tragen. Der Beamte hätte innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Auswahlentscheidung einstweiligen Rechtsschutz beantragen müssen, weil anderenfalls die Stelle bzw. der Beförderungsdienstposten endgültig vergeben werden kann. Beim an sich rechtzeitig gestellten Antrag habe es an der geforderten Eindeutigkeit gefehlt, da das wirkliche Ziel des Eilantrags von der Formulierung des Antrags abweiche. Selbst die richtige Bezeichnung des Beigeladenen als ausgewähltem Bewerber würde daran nichts ändern, weil dieser sich auch auf den im Antrag genannten Dienstposten erfolgreich beworben habe. Diesen habe er dann nachträglich abgelehnt, weil er den Dienstposten „WV 14-41“ bevorzuge.
Entscheidungen:
Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen, Beschluss vom 15. November 2017 - 2 LA 55/16 -, juris
BVerwG, Urteil vom 03. Dezember 2014 - 2 A 3/13 -, BVerwGE 151, 14-26
BVerwG, Urteil vom 04. November 2010 - 2 C 16/09 -, BVerwGE 138, 102-122
BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 28. April 2005 - 1 BvR 2231/02 -, juris (sogenannte „Landeskinderentscheidung“).
Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 04. Juli 2017 - 1 M 70/17 -, juris