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Beschlüsse des 71. Deutschen Juristentages Essen 2016 zum Arbeits- und Sozialrecht

Die arbeits -und sozialrechtliche Abteilung des 71. Deutschen Juristentags in Essen hat sich mit der Thematik "Digitalisierung der Arbeitswelt - Herausforderungen und Regelungsbedarf" auseinandergesetzt. Schwerpunkte dabei waren neue Formen der Arbeitsorganisation und Arbeitszeitverteilung ebenso wie Auswirkungen der Digitalisierung auf den Arbeitsort sowie Fragen der Weiterbildung und des Datenschutzes.

Bei den Abstimmungen zu den einzelnen Thesen der Beschlussvorlage konnten sich mit jeweils deutlicher Mehrheit diejenigen Auffassungen durchsetzen, die die Position derjenigen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen stärken, die von der fortschreitenden Digitalisierung der Arbeitswelt bereits unmittelbar betroffen sind oder es in Zukunft sein werden.

Beschlüsse 71. Deutscher Juristentag Essen 2016

Arbeits- und Sozialrecht

Digitalisierung der Arbeitswelt – Herausforderungen und Regelungsbedarf

Beschlüsse im einzelnen

I. Digitalisierung und neue Formen der Arbeitsorganisation

1. Als selbstständige Crowdworker sollten nur diejenigen gelten, die wirtschaftlich unabhängig sind. Zur besseren Durchsetzung des Schutzes der Crowdworker ist eine Umkehr der Beweislast erforderlich.

angenommen 112:14:9

2. Crowdwork sollte im Sinne eines Mindestschutzes gesetzlich geregelt werden.

angenommen 121:11:3

a) Auch selbständige Crowdworker benötigen einen gesetzlichen Mindestschutz, etwa für Entgelt, Arbeitserholung, Arbeitsschutz sowie Vertragsbeendigung.

angenommen 122:10:1

b) Die Gewerkschaften benötigen Zutritts- und Kommunikationsrechte auf elektronischer Basis wie etwa die Nutzung des betrieblichen Intranets und des Mailverteilers der für den Arbeitgeber tätigen Personen.

angenommen 120:7:6

3. Alle selbstständigen Crowdworker sollten über das geltende Recht hinaus (zum Beispiel § 2 Nr. 9 SGB VI) in die Sozialversicherung einbezogen werden.

angenommen: 117:10:2

4. Arbeitnehmerähnliche Personen sollten über das geltende Recht hinaus (§ 5 Abs. 1 S. 2 BetrVG) in die Betriebsverfassung einbezogen werden.

angenommen: 118:14:0

5. § 3 Abs. 1 und Abs. 5 BetrVG sollte geändert werden, mit dem Ziel, dass durch Tarifverträge von Vorschriften des BetrVG zur Organisationsstruktur abgewichen werden kann.

angenommen: 121:6:5

Hierdurch sollten zusätzliche Arbeitnehmer-Vertretungsgremien mit Rechten, wie sie bei Betriebsräten vorgesehen sind, eingerichtet werden können.

angenommen: 114:11:6

6. Das Mitbestimmungsrecht des § 91 BetrVG bei Änderungen der Arbeitsplätze, des Arbeitsablaufs oder der Arbeitsumgebung sollte durch Streichung des Worts „offensichtlich“ gestärkt werden.

angenommen: 118:10:4

7. Bei Wahlen zum Betriebsrat, Personalrat und zur Schwerbehindertenvertretung ist eine zusätzliche Bekanntmachung durch Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) vorzuschreiben.

angenommen: 121:7:5

II. Digitalisierung und Arbeitszeit

1. Das öffentlich-rechtliche Arbeitszeitrecht sollte aus Gründen des Arbeitsschutzes unangetastet bleiben. Die Arbeitszeit bei IKT-gestützter Arbeit außerhalb des Betriebs und in Homeoffice wird dokumentiert.

angenommen: 118:9:3

2. § 9 BUrlG sollte um folgenden Satz ergänzt werden: “Satz 1 gilt sinngemäß, wenn der Arbeitnehmer auf Veranlassung des Arbeitgebers eine nicht nur geringfügige Arbeitsleistung während des Urlaubs erbringt.”

abgelehnt: 9:103:6

3. Der Arbeitnehmer sollte unabhängig von § 8 TzBfG das Recht auf Bestimmung der zeitlichen Lage der Arbeitszeit haben, sofern keine dringenden betrieblichen Gründe entgegenstehen.

angenommen: 109:11:8

4. Es sollte eine Rechtsverordnung i.S. von § 18 ArbSchG erlassen werden, die das Thema der psychischen Belastung bei der Arbeit zum Gegenstand hat.

angenommen: 118:5:7

III. Digitalisierung und Arbeitsort

1. Bei mobilisierbaren Tätigkeiten sollte ein Recht auf “Homeoffice” eingeführt werden, sofern betriebliche Gründe nicht entgegenstehen.

angenommen: 109:16:6

2. Die Regelungen des Arbeitsstättenrechts sollten auf vom Arbeitgeber eingerichtete häusliche Arbeitsplätze ausgedehnt werden, mit dem Ziel, dass die Arbeitsbedingungen gesundheitlich unbedenklich sind.

angenommen: 105:13:7

Dem Arbeitgeber sollten Zugangs- und Kontrollrechte unter Beachtung von Art. 13 GG eingeräumt werden.

angenommen: 86:25:15

IV. Weiterbildung

Das Thema “Weiterbildung von Arbeitnehmern” sollte durch ein Bundesgesetz umfassend geregelt werden.

angenommen: 117:3:11

a) Ein Beratungsanspruch auf Qualifizierung durch den Arbeitgeber, ausgeführt durch eine unabhängige Person, ist für alle Beschäftigten vorzusehen.

angenommen: 109:14:6

b) Bei tätigkeitsbezogener Qualifizierung sollte der Arbeitnehmer unter Fortzahlung des Entgelts von der Arbeit freigestellt werden. Für weitere Weiterbildungsmaßnahmen ist die Entgeltfortzahlung und die Finanzierung der Bildungsmaßnahme abgestuft zu regeln, je nachdem, welchen Bezug die Bildungsmaßnahme zum Betrieb oder zur Tätigkeit aufweist. Ein Ausgleich für Vergütungseinbußen ist vorzusehen.

angenommen: 118:7:6

c) Die Mitbestimmungsrechte sind zu verbessern.

angenommen: 102:9:10

V. Datenschutz

1. Das Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung sollte zum Anlass genommen werden, das Recht des Arbeitnehmerdatenschutzes über § 32 BDSG hinaus umfassend neu zu regeln.

angenommen: 129:1:0

2. Das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG ist auch auf die nicht automatisierte Datenverarbeitung zu erstrecken.

angenommen: 112:14:4

3. Es sollte gesetzlich klargestellt werden, dass der Arbeitgeber auch bei erlaubter Privatnutzung seiner informationstechnischen Systeme durch seine Arbeitnehmer diesen gegenüber kein „Diensteanbieter“ im Sinne des TKG ist.

abgelehnt: 22:94:11

4. Es sollte gesetzlich klarer beschrieben werden, wann eine Einwilligung von Arbeitnehmern in die Datenverarbeitung wirksam ist. Hierzu sind prozedurale Sicherungen vorzusehen (Belehrungspflicht, Wartezeit u.a.).

abgelehnt: 37:66:19