Wir waren dabei
Böckler-Forum: Arbeit der Zukunft – Zukunft der Arbeit
Das Normalarbeitsverhältnis wird durch eine Vielzahl neuer Erscheinungsformen der Erwerbsarbeit ergänzt und zum Teil abgelöst. Welche Chancen und Risiken ein Phänomen wie Crowdsourcing hat und wie dieses rechtlich zu bewerten ist, darüber referierten und diskutierten Fachleute im Forum „Arbeit der Zukunft – Zukunft der Arbeit“ des Hans-Böckler-Forums.
Die Organisator*innen des Hans-Böckler-Forums, das am 5. Und 6. März 2015 in Berlin tagte, hatten wie immer hochkarätige Referent*innen gewinnen können, die die unterschiedlichen Facetten eines brisanten Themas ausleuchteten.
Unter der fachkundigen Moderation von Dr. Thomas Klebe vom Hugo-Sinzheimer Institut und Dr. Andreas Priebe von der Hans-Böckler-Stiftung beschäftigte sich das Forum „Arbeit der Zukunft – Zukunft der Arbeit“ mit neuen Erscheinungsformen der Erwerbsarbeit.
Abschied vom Normalarbeitsverhältnis ?
Als Einstieg erläuterte Prof. Dr. Gerhard Bosch von der Universität Duisburg Essen, welche Strukturmerkmale das Normalarbeitsverhältnis prägten und prägen. Ganz wesentlich sei dafür, dass das Normalarbeitsverhältnis auf Dauer angelegt und nicht nur auf die Gegenwart bezogen sei, sondern in die Zukunft weise.
Das Normalarbeitsverhältnis sei eine wünschenswerte soziale Errungenschaft, auch wenn dies von der neoliberalen Denkschule naturgemäß anders gesehen werde. Es ermögliche sozialen Schutz der Beschäftigten und eine Teilhabe am Produktivitätsfortschritt.
Allerdings sei seit den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts durch Entwicklung wie die Fragmentierung der Unternehmensstrukur, die Möglichkeit der Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband ohne Tarifbindung und die Zunahme atypischer Beschäftigungsformen eine Erosion des Normalarbeitsverhältnisses eingetreten.
Prof. Bosch kritisierte diese Entwicklung, gestand aber zugleich ein, dass das Normalarbeitsverhältnis zum Teil nicht flexibel genug sei, um den Bedürfnissen vieler Arbeitnehmer*innen gerecht zu werden. Als Beispiel nannte er das Bedürfnis nach Teilzeitarbeit in bestimmten Lebensphasen, sei es aus familiären Gründen oder für Aus- und Weiterbildung, wie dies jetzt im von der IG Metall erstrittenen Tarifvertrag der Fall sei.
Crowdsourcing – die Arbeit der Zukunft ?
Eine solche Form flexiblen Arbeitens stellte Prof. Dr. Jan Marco Leimeister von der Universität Kassel vor. Beim Crowdsourcing werde ein bestimmter Auftrag an eine unbestimmte Anzahl von Personen vergeben. Diese könnten dann selbst bestimmen, ob und wer diesen Auftrag ausführt. Die Vergabe könne betriebsintern, aber auch extern, beispielsweise über bestimmte Plattformen im Internet erfolgen.
Dabei stellte Leimeister unterschiedliche Erscheinungsformen des Crowdsourcings dar, so könne bei mehreren Arbeitsergebnissen entweder der Schnellste oder der Beste den Zuschlag erhalten. Häufig handele es sich aber um Formen kollektiver Arbeit, bei der die Experten auf ihrem jeweiligen Gebiet ihr Fachwissen einbringen, um zum Gelingen des Ganzen beizutragen.
Der Crowdworker sei nicht mehr in eine Hierarchie eingebunden, er könne also sehr viel freier über Art und Umfang seiner Arbeit entscheiden. In den Bereichen, in denen Crowdsourcing eingesetzt werde, sei auch nicht mehr zwingend die Präsenz an einem bestimmten Ort erforderlich, so dass ein insgesamt hohes Maß an Flexibilität gewährleistet sei.
Leimeister wendete sich auch entschieden gegen die Vorstellung, es handele sich bei den Crowdworkern um prekär Beschäftigte: Es handele sich hier zumeist um hochspezialisierte Experten, die aufgrund der ausgeprägten Nachfrage gut verdienen und für die ein Normalarbeitsverhältnis aufgrund der erheblichen Zwänge nicht attraktiv sei.
Schließlich bestätigte auch Astrid Granzow als Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats der Atos Information Technology GmbH aus Meppen den Trend zur Flexibilisierung. Anhand von Beispielen aus ihrem Betrieb machte sie das Phänomen der Flexibilisierung und Digitalisierung für das Publikum anschaulich.
Arbeitsrechtliche Fragen des Crowdsourcings
Nach dieser belebenden Darstellung widmete sich Prof. Dr. Wolfgang Däubler von der Universität Bremen den individual- und kollektivrechtlichen Aspekten des Crowdsourcings. So stellte er klar, dass die Verlagerung von betrieblicher Tätigkeit auf Crowdworker genau wie das Outsourcing grundsätzlich als Betriebsänderung zu bewerten sei mit den damit einher gehenden arbeitsrechtlichen Folgen.
Gleichzeitig sei klar, dass es sich bei Crowdworkern aufgrund der fehlenden Weisungsunterworfenheit nicht um Arbeitnehmer handele. Man könne sie gegebenenfalls als arbeitnehmerähnliche Personen klassifizieren, wenn sie in wirtschaftlicher Abhängigkeit zum Auftraggeber stehen.
In der Sache sei damit aber nicht viel gewonnen, da zentrale Schutzvorschriften, wie Kündigungsschutz, Betriebsverfassungsrecht und Mindestlohn für diese Personen nicht gelten. Eine Einordnung als Heimarbeiter komme ebenfalls nicht in Frage, weil gerade keine Arbeit zugeteilt werde, sondern sich der Crowdworker um Aufträge bemühe.
Einen effektiven Schutzmechanismus sah Däubler in der Inhaltskontrolle der allgemeinen Geschäftsbedingungen, etwa auf den einschlägigen Internetportalen. Viele der dort verwendeten Klauseln seien unwirksam.
Däubler nannte als Beispiel die Vorschrift, wonach der Crowdworker die Rechte an dem von ihm geschaffenen Produkt auch dann an den Ausschreibenden abtreten muss, wenn dieser gar keinen Gebrauch davon macht und der Crowdworker dementsprechend auch nicht entlohnt wird. Auch ein Kontaktverbot der Crowdworker untereinander und ein Ermessen des Auftraggebers darüber, ob er die von ihm bestelle Leistung tatsächlich annimmt, seien unwirksam.
Denkbar sei zudem die Anwendung von Verbraucherschutzrecht, sofern der Crowdworker seine Tätigkeit nicht gewerbsmäßig ausübe, was allerdings in der Regel der Fall sein dürfte.
Neue Beschäftigungsformen in Europa
Einen Blick über den Tellerrand nationaler Regelungen wagte Prof. Dr. Bernd Waas von der Universität Frankfurt a.M. Basis des Vortrages war eine Zusammenstellung von Regelungen zu atypischen Beschäftigungsformen.
Dabei stellte Waas fest, dass die klassische Zuordnung Arbeitgeber – Arbeitnehmer zunehmend verschwimme. In den neuen Beschäftigungsformen seien Konstruktionen auf dem Vormarsch, bei denen mehrere Arbeitnehmer einem Arbeitgeber zugeordnet sind, wie dies in Deutschland im Falle eines Hausmeisterehepaares der Fall ist, oder es erfolgt eine Zuordnung von mehreren Arbeitgebern zu einem Arbeitnehmer, etwa bei einem Gesamthafenbetrieb.
Naturgemäß ähneln sich viele der Konstrukte, allerdings konnte Waas auch sehr innovative Beschäftigungsformen vorstellen, wie etwa das „employee-sharing“. Mehrere Arbeitgeber teilen sich einen Arbeitnehmer, wenn jeder einzelne keine Verwendung für eine Vollzeitkraft hat. Diese Beschäftigungsform funktioniere „wie bei einer Ferienwohnung“.
Die Zukunft der Arbeit
Nach diesen erhellenden rechtlichen Erkenntnissen war es die Aufgabe von Annelie Buntenbach vom geschäftsführenden DGB Bundesvorstand, einen Bogen zu den politischen Konsequenzen zu spannen.
Buntenbach betonte, dass es das Verdienst der Gewerkschaften gewesen sei, die Bedeutung von guter Arbeit in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung gerückt zu haben. Gute Arbeit sei von zentraler Bedeutung für Wirtschaft und Gesellschaft.
Wie andere Bereiche auch verändere sich die Arbeit durch die Digitalisierung, Flexibilität sei ein allgemeiner Trend. Dies sei auch nicht grundsätzlich negativ zu sehen, vielmehr biete die Digitalisierung neben Risiken durchaus Chancen.
Allerdings komme es darauf an, die Arbeitswelt so zu gestalten, dass auch die Arbeitnehmer*innen von der Digitalisierung profitieren. Nicht zu leugnende Belastungen wie ständige Erreichbarkeit müssten abgefedert und gesteuert werden. Dies sei eine zentrale Aufgabe der Gewerkschaften.