Veranstaltung des DGB Rechtsschutzes
Campus Arbeitsrecht - Forum 2: Arbeitszeit und kollektive Regelungen
Arbeitszeit und kollektive Regelung – zwischen Souveränität und Entgrenzung
Arbeitszeit und kollektive Regelung – zwischen Souveränität und Entgrenzung
Der Campus Arbeitsrecht am 25. Februar in Frankfurt am Main versammelte Akteure aus Praxis, Wissenschaft und Politik, die aktiv das Thema „Arbeitszeit“ mitgestalten und sich als Arbeits- und Sozialrechtsexperten intensiv damit beschäftigen. Nach den Vorträgen am Vormittag standen nach der Mittagspause vier Foren für den qualitativen Austausch einzelner Aspekte auf dem Programm. Neben Einblicken in Arbeitszeit-Aspekte im Gesundheitswesen (Forum 1), wurde auch über die nationalen Grenzen hinaus geschaut (Forum 3) und konnten praxisorientierte Debatten speziell zur Teilzeitarbeit (Forum 4) geführt werden.
Das Forum 2 betrachtete die betriebliche Praxis und kollektive Regelungen in Bezug auf Arbeitszeit. Dabei spielte die Tarifpolitik aus Sicht der IG Metall eine große Rolle. Stefan Schaumburg, der Leiter Tarifpolitik bei der IG Metall, stellte eine neue Kampagne der Gewerkschaft vor, die wenige Tage später starten sollte. Im Mittelpunkt dabei: ein gesetzliches Rückkehrrecht von Teilzeit auf Vollzeit – eine Forderung, die während des gesamten Campus’ Arbeitsrecht häufig zu hören war. Denn allen Teilnehmenden ist wichtig, das Thema Arbeitszeit auch politisch zu betrachten und die gesetzlichen Regelungen dazu endlich der modernen Arbeitswelt anzupassen. Um diese Forderung zu stärken, hatte Stefan Schaumburg vor allem Zahlen dabei. Sie sind das Ergebnis der Beschäftigtenbefragung 2013, an der sich über 514.000 Arbeitende beteiligt hatten. Zentrales Ergebnis: Drei Viertel der Beschäftigten kommen mit Flexibilität klar, Arbeitszeiten flexibel zu gestalten, ist demnach längst in den Betrieben angekommen. Aber sie wollen auch etwas dafür haben, mitgestalten und nicht nur im Sinne des Arbeitgebers agieren. Die Arbeitszeitsouveränität soll also bei dem Beschäftigten bleiben. Dazu brauche es „Andockstellen für tarifvertragliche Regelungen, zum Beispiel bei den Themen Teilzeit und Pflegezeit. In das Arbeitszeitgesetz müssten die wahren Chancen von Digitalisierungsprozess miteinfließen – zugunsten der Arbeitnehmer*innen. Arbeitszeit dürfe nicht verfallen, was gerade im Zusammenhang mit mobilem Arbeiten ein größer werdendes Problem sei.
Daran konnte Dr. Peter Cammerer, Betriebsratsvorsitzender BMW Group in München, anknüpfen. Er stellte seine Betriebsvereinbarung zum „Mobilen Arbeiten“ vor. Diese wurde 2014 beim Deutschen Betriebsrätetag mit dem Deutschen Betriebsräte-Preis in Gold ausgezeichnet. Darin ist Mobilarbeit als alle arbeitsvertraglich vereinbarten Tätigkeiten definiert, die sowohl online als auch offline (z. B. per Computer, Telefon oder mit Papiermedien) außerhalb der Büros durchgeführt werden. Die Mobilarbeitszeit wird von den Mitarbeiter*innen selbst erfasst und sie folgt einem klaren System. Besonders hervorgehoben wurde der Schutzaspekt für Beschäftigte: Die BMW-Betriebsvereinbarung, die auch im Wortlaut den Beschäftigten vor die Firma stellte, ist auch das Recht auf Nichterreichbarkeit enthalten. Denn echte Freizeit zu haben und Arbeits-Kommunikationsmittel abzuschalten, müsse auch von den Arbeitnehmer*innen selbst wiedererlangt werden. Die nur vier Seiten umfassende Betriebsvereinbarung weckte Neugierde bei den Anwesenden und war Auslöser für Nachfragen. Hier waren es vor allem Kontroll- und Arbeitsschutzaspekte, die interessierten. Aber auch, wie „angeordnete Mehrarbeit“ in diesem Zusammenhang definiert wird, warf beispielsweise der anwesenden Präsident des Arbeitsgerichts, Manfred Müller, in die Diskussion. Aus Richtersicht gebe es hier viele Streitfälle, da das Prinzip der Anordnung häufig nicht klar nachvollziehbar sei. Hier versicherte Peter Cammerer, dass bei BWM sehr frühzeitige Meldungen darüber erfolgen und eine enge Abstimmung zwischen den jeweililegen Beschäftigten und Vorgesetzten Unklarheiten beseitigt.
Zum Abschluss des Forums gab Dr. Mario Eylert, Richter am Bundesarbeitsgericht in Erfurt, eine Übersicht über die aktuelle Rechtsprechung zur Mitbestimmung bei der Arbeitszeit. Dabei konnte auch er bestätigen, dass Streitigkeiten über flexible Arbeitszeitkonten und digitale Zeiterfassungssysteme zunehmen. Auch der Missbrauch von Teilzeitmodellen beschäftigte das höchste deutsche Arbeitsgericht in jüngster Vergangenheit zunehmend.
Zwischen der Souveränität und der Entgrenzung durch veränderte Arbeitszeitmodelle muss sich auch die betriebliche Mitbestimmung in diesem Kontext verändern. Darin waren sich letztliche alle Beteiligten im Forum einig. Flexibilisierungsprozesse sind ist für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, für Weiterbildung und Übergänge zur Rente gut geeignet – wenn Mitbestimmung und die Mitsprache der Beschäftigten hierbei stimmen. Die Diskussionen über die Arbeitszeitpolitik in Deutschland haben wieder neu begonnen und werden auch die nächste Zeit sowohl Betriebsräte als auch Gerichte beschäftigen. Das hat der Campus Arbeitsrecht klar herausgestellt.