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"Spannungsfeld Betriebsrentenanpassung" 26.02.2014 Diskussionsforum beim IG Metall Vorstand
Zu einem Diskussionsforum zum Thema „Spannungsfeld Betriebsrentenanpassung“ hatte der IG Metall Vorstand am 26. Februar 2014 Betriebsräte, Gewerkschaftssekretäre*innen und Rechtsschutzsekretär*innen der DGB Rechtsschutz GmbH eingeladen. Wer davon ausging, dass ein solches Thema nicht unbedingt geeignet ist, dass Teilnehmer in großer Anzahl erscheinen, der sich musste sich eines Besseren belehren lassen. Über 100 Teilnehmer*innen konnte Kerstin Altmann-Schminke, politische Sekretärin beim IG Metall Vorstand in Frankfurt/Main, begrüßen, deren besonderer Gruß dem Hauptreferenten Dr. Günter Spinner, Richter an dem für Betriebsrenten zuständigen 3. Senat des Bundesarbeitsgerichts in Erfurt sowie dem betriebswirtschaftlichen Experten Günter Stolz und dem Referatsleiter Peter Görgen „Zusätzliche Altersvorsorge“ im Bundesministerium für Arbeit und Soziales galt.
In ihrer Eröffnungsrede stellte Kerstin Altmann-Schminke die Frage in den Raum: „Warum wurde das Thema Betriebsrentenanpassung für die heutige Veranstaltung gewählt und was bedeutet Betriebsrentenanpassung?“ In diesem Zusammenhang verwies sie auf § 16 BetrAVG der den Arbeitgeber verpflichtet, alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden, wobei insbesondere die Belange des Versorgungsempfängers und die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers zu berücksichtigen sind.
Aus sozialer Sicht, so Altmann - Schminke, soll mit der Vorschrift des § 16 BetrAVG die Kaufkraft der Betriebsrente erhalten bleiben. Allein auf vertraglich Regelungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu vertrauen erachtete sie für nicht ausreichend. „ Nur eine gesetzliche Regelung der Anpassungsprüfungspflicht war und ist, nach wie vor notwendig“, so die Referentin, „um die fehlende Möglichkeit der Rentner auszugleichen, durch kollektiven Druck in Verhandlungen mit dem Arbeitgeber eine Rentenanpassung zu erreichen.“ Eine Anpassungsprüfungspflicht sei auch deshalb gerechtfertigt, weil die Arbeitgeber den nach Eintritt des Versorgungsfalles überschießenden Zinseffekt nach Vertrag nicht herauszugeben brauchen, obwohl die Zinsen mit fremdem Kapital erzielt worden sind – nämlich dem des Arbeitnehmers.“.
Da die Betriebsrente zur geleisteten Betriebstreue in einem festen Äquivalenzverhältnis stehe, dürfe der Betriebsrentner auf deren wertgleichen Fortbestand vertrauen. So sei auch der Grundsatz zu verstehen, dass die Betriebsrentenanpassung die Regel sein solle und die Nichtanpassung die Ausnahme. Dieser Grundsatz werde jedoch nach Feststellungen der IG Metall immer wieder durchbrochen, indem Arbeitgeber durch z.B. bilanzielle Möglichkeiten die wirtschaftliche Lage so gestalten, dass diese eine Betriebsrentenanpassung faktisch ausschließt. Festzustellen sei auch, dass Arbeitgeber der Anpassungsprüfungspflicht aus § 16 Abs. 1 BetrAVG oftmals nur nach Aufforderung nachkämen und erst auf Antrag der Betriebsrentner tätig würden.
Auf massiven Widerspruch stieß bei Kerstin Altmann–Schminke die in der Literatur und Rechtsprechung vertretene Auffassung, wonach es sich bei der Betriebsrentenanpassung um eine Holschuld handele, da dem Arbeitgeber die Pflicht zur Prüfung der Betriebsrentenanpassung obliegt, wie sich dies aus § 16 Abs. 1 BetrAVG ergibt.
Mit dieser Auffassung stand Altmann-Schminke nicht allein, wie der Berichterstatter in mehreren Pausengesprächen feststellen konnte, da man allgemein davon ausging, dass der Arbeitgeber von sich aus die Betriebsrente anzupassen, zumindest aber zu prüfen habe, bzw. die Gründe für eine Nichtanpassung mitzuteilen habe.
„Aktuelle Rechtsprechung des BAG zur Anpassung von Betriebsrenten"
Mit großer Spannung wurde das Hauptreferat des Richters am Bundesarbeitsgericht, Dr. Günter Spinner erwartet, der mit seinem Beitrag „Aktuelle Rechtsprechung des Dritten Senats des Bundearbeitsgerichts zur Anpassung von Betriebsrenten“ die Erwartungen voll erfüllte.
Bestimmung des Prüfungstermins
Unter Bezug auf § 16 Abs. 1 BetrAVG wies Spinner darauf hin, dass der Arbeitgeber alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu prüfen habe. Nach der ständigen Rechtsprechung des Dritten Senats zwinge diese gesetzliche Vorgabe den Arbeitgeber jedoch nicht zu starren Prüfungsterminen vom jeweiligen Renteneintrittszeitpunkt an, sondern erlaube es dem Arbeitgeber alle anfallenden Prüfungstermine zu „bündeln“ und zu einem bestimmten jährlichen Termin zusammenzufassen. Dem Arbeitgeber solle kein unverhältnismäßig hoher Verwaltungsaufwand aufgebürdet werden Bei der Bestimmung des Prüfungstermins habe der Arbeitgeber jedoch zu beachten, dass durch die Bündelung der Anpassungsprüfungen die erste um nicht mehr als sechs Monate, gerechnet vom jeweiligen individuellen Rentenbeginn, verzögert werden dürfe, mithin der Arbeitgeber spätestens drei Jahre und sechs Monate nach dem Leistungsbeginn die erste Anpassungsprüfung vorzunehmen habe.
Ermittlung des Kaufkraftverlustes
Die Ermittlung des Anpassungsbedarfs im Rahmen der Anpassungsprüfung richtet sich nach § 16 Abs. 2 Nr. BetrAVG und ist für den Zeitraum zwischen dem individuellen Rentenbeginn und dem jeweiligen Anpassungsstichtag vorzunehmen. Für die Ermittlung des Kaufkraftverlusts ist auf den Verbraucherpreisindex für Deutschland abzustellen.
Zu beachten ist jedoch, dass der Verbraucherpreisindex nur für die Zeit ab dem 1. Januar 2003 maßgeblich ist. Wenn der individuelle Rentenbeginn vor dem 1. Januar 2003 liegt, ist es erforderlich, den davor gültigen Index, den Preisindex für die Lebenshaltung von Vier-Personen-Haushalten von Arbeitern und Angestellten mit mittlerem Einkommen „Basisjahr 1995“ heranzuziehen. Denn nach der Rechtsprechung des Dritten Senats bleibt für Prüfungszeiträume vor dem 1. Januar 2003 dieser Preisindex maßgebend, was sich wiederum aus § 30c Abs. 4 BetrAVG ergibt.
Wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers
Nach § 16 Abs. 1 BetrAVG ist im Rahmen der vorzunehmenden Anpassungsprüfung und -entscheidung neben den Belangen des Versorgungsempfängers auch die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers zu berücksichtigen. Lehnt der Arbeitgeber die Betriebsrenten-anpassung unter Hinweis auf die wirtschaftliche Lage ab, so ist eine Ablehnung der Betriebsrentenanpassung nur insoweit zu rechtfertigen, als das Unternehmen ansonsten übermäßig belastet und seine Wettbewerbsfähigkeit gefährdet werden würde.
Die zu Recht unterbliebene Anpassung, § 16 Abs. 4 Satz 2 BetrAVG Dreimonatige Widerspruchsfrist!
Wenn laufende Leistungen nach § 16 Abs. 1 BetrAVG nicht oder nicht in vollem Umfang anzupassen sind (zu Recht unterbliebene Anpassung), ist der Arbeitgeber nach § 16 Abs. 4 Satz 1 BetrAVG nicht verpflichtet, die Anpassung der Betriebsrente zu einem späteren Zeitpunkt nachzuholen.
Eine Anpassung gilt dann als zu Recht unterblieben, wenn der Arbeitgeber dem Versorgungsempfänger die wirtschaftliche Lage des Unternehmens schriftlich dargelegt, der Versorgungsempfänger nicht binnen drei Kalendermonaten nach Zugang der Mitteilung schriftlich widersprochen hat und er auf die Rechtsfolgen eines nicht fristgemäßen Wider-spruchs hingewiesen wurde.
Diese Fiktion kann nach der Rechtsprechung des Dritten Senats jedoch nur dann eintreten, wenn sich der schriftlichen Information des Arbeitgebers entnehmen lässt, aufgrund welcher Umstände davon auszugehen ist, das Unternehmen werde voraussichtlich nicht in der Lage sein, die Anpassungen zu leisten.
Die Darstellung der wirtschaftlichen Lage im Unterrichtungsschreiben des Arbeitgebers muss so detailliert sein, dass der Versorgungsempfänger allein durch diese Unterrichtung in die Lage versetzt wird, die Entscheidung des Arbeitgebers auf ihre Plausibilität hin zu überprüfen. Geschieht dies nicht kann Widerspruch auch noch nach Ablauf der dreimonatigen Widerspruchsfrist erhoben werden.
Zinsen bei Anpassungsforderungen
Da es sich bei Anpassungsforderungen um Leistungen handelt, die nach billigem Ermessen zu bestimmen sind, und deshalb bei einer gerichtlichen Bestimmung erst aufgrund eines rechtskräftigen Gestaltungsurteils nach § 315 Abs. 3 BGB fällig werden, tritt, nach mehrfachen Entscheidungen des Dritten Senats, ein Schuldnerverzug erst mit Rechtskraft des Gestaltungsurteils ein.
Handelsübliche Jahresabschlüsse kritisch beäugt!
Der Frankfurter Wirtschaftsprüfer und Steuerberater Günter Stolz erläuterte im Rahmen einer Präsentation die verschiedenen Bilanzierungsmethoden. Er kam zu dem Ergebnis dass in Verfahren in denen über die Anpassung von Betriebsrenten entschieden wird die bei der Entscheidungsfindung zu Grund gelegten handelsrechtlichen Jahresabschlüsse nicht unbedingt und in jedem Fall die tatsächliche wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers widerspiegeln.
Dieser Hinweis aus der Sicht eines Wirtschaftsprüfers wurde von dem Berichterstatter durchaus als kritischer Hinweis an den Dritten Senat des BAG verstanden, der in seinen Entscheidungen durchgehend die Auffassung vertritt, dass bei den handelsüblichen Jahresabschlüssen eine den tatsächlichen wirtschaftlichen Bedingungen entsprechendes Bild der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers vermittelt wird.
Schlusswort
In ihrem Schlusswort dankte Kerstin Altmann-Schminke den Referenten für ihre Beiträge und den Teilnehmer*innen für die rege Teilnahme an der Diskussion und gab bekannt, dass die nächste Veranstaltung am 20. November 2014 beim IG Metall Vorstand stattfinden wird. Thema dieser Veranstaltung wird die Weiterentwicklung der betrieblichen Altersversorgung, an der Vertreter der Parteien und auch des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales teilnehmen werden.
Hans-Martin Wischnath (Frankfurt/Main)
Hier im Volltext: Entscheidung BAG vom 11.10.2011 – 3 AZR 732/09