Veranstaltung des DGB Rechtsschutzes
Völker, hört die Centrale…
…für Revision und Europäisches Recht. Das Gewerkschaftliche Centrum der DGB Rechtsschutz GmbH feierte am 4. Dezember 2017 sein zehnjähriges Jubiläum in festlichem Rahmen mit prominenten Gästen und einem hochwertigen Programm.
Die Centrale hatte gerufen und viele kamen. Am 4. Dezember hatte das Gewerkschaftliche Centrum Mitstreiter und Weggefährten eingeladen, um mit ihnen sein Jubiläum zu feiern.
Der Leiter des Centrums begrüßt die Gäste
Karsten Jessolat als Leiter des Gewerkschaftlichen Centrums begrüßte die etwa 120 anwesenden Gäste, unter ihnen Richterinnen und Richter des Bundesarbeits- und Bundessozialgericht, aus dem gewerkschaftlichen Umfeld und aus der Wissenschaft. Er stellte ihnen die Beschäftigten des Centrums vor.
Jessolat betonte, dass sich seit der Gründung des Centrums dessen Fallaufkommen mehr als verdreifacht habe. Es sei gelungen, in den zurückliegenden zehn Jahren, einige Erfolge für die Gewerkschaftsmitglieder zu erstreiten.
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Besonders begrüßte Jessolat die Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts Ingrid Schmidt, den Präsidenten des Bundessozialgerichts Prof. Dr. Rainer Schlegel sowie die Aufsichtsratsvorsitzende der Rechtsschutz GmbH Jutta Blankau.
Begrüßung des Geschäftsführers
Im Anschluss begrüßte auch Reinhard Vorbau, der Geschäftsführer der DGB Rechtsschutz GmbH die Gäste. Er erinnerte an die Wurzeln des Centrums, die in der Terminologie der damaligen Zeit schlicht Bundesrechtsstelle genannt worden war.
Lebhaft schilderte er, wie sich die Arbeit der Rechtsstelle seinerzeit darstellte, es sei alles sehr sparsam gewesen. Vorbau: „Da gab es noch nicht einmal ein großes Schild an der Tür, weil das der Vermieter nicht wollte!“
Mit Einführung der Postulationsfähigkeit für Verbände sei eine Neustrukturierung notwendig geworden. Ab jetzt konnten die Gewerkschaftsjuristen nicht nur vor dem Bundessozialgericht, sondern auch vor Bundesarbeits- und Bundesverwaltungsgericht auftreten. Die Umbenennung sollte diesem Umstand auch nach außen Rechnung tragen.
Grußwort Ingrid Schmidt
In ihrem Grußwort erinnerte die Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts Ingrid Schmidt an den Ursprung des gewerkschaftlichen Rechtsschutzes, dessen Zweck es in erster Linie war, Arbeiter vor ungerechtfertigtem Lohneinbehalt und überlangen Arbeitszeiten zu schützen. Dabei habe der Rechtsschutz nicht nur einen erheblichen „Werbeeffekt“ für die Gewerkschaften, sondern leiste einen wichtigen Beitrag zur Rechtsentwicklung.
Vor diesem Hintergrund habe sich das Bundesarbeitsgericht auch für die Zuerkennung der Postulationsfähigkeit eingesetzt, das Centrum werde dem hiermit verbundenen Vertrauen auch gerecht.
Zugleich warnte Frau Schmidt davor, sich den neuen Entwicklungen zu verschließen. Dies gelte insbesondere für den elektronischen Rechtsverkehr und die elektronische Akte, die derzeit in der Justiz mit Hochdruck umgesetzt würden. Auch die Verbände müssten sich auf diese Umstellung vorbereiten.
Grußwort Prof. Dr. Rainer Schlegel
Diesen Ball griff der Präsident des Bundessozialgerichts Prof. Dr. Rainer Schlegel auf. Hier solle die „Centrale ihrerseits die Signale hören.“ Schlegel betonte die große Rolle des Sozialbereichs, für den im Bundeshaushalt „jeder dritte Euro“ ausgegeben werde und der Sozialgerichtsbarkeit als zweitgrößte Gerichtsbarkeit. In diesem Zusammenhang spiele der gewerkschaftliche Rechtsschutz im Allgemeinen und das Gewerkschaftliche Centrum im Besonderen eine wichtige Rolle, die diese verantwortlich wahrnähmen.
Die Vertreter der Gewerkschaften seien in der Lage, die oft komplexen Entscheidungen zu verstehen und für die Mandanten zu übersetzen. In dieser Position leiste der gewerkschaftliche Rechtsschutz einen wichtigen Beitrag zu effektivem und ressourcenschonendem Rechtsschutz.
Dabei sei insbesondere das Centrum auch in der Sache erfolgreich gewesen. Schlegel erinnerte beispielhaft an die Änderung der Rechtsprechung zur Betriebsfeier (Bundessozialgericht gibt langjährige Rechtsprechung zur Betriebsfeier auf), zu Beiträgen zur Künstlersozialversicherung einer kommunalen Mandatsträgerin und zur Bedarfsgemeinschaft im SGB II.
Vortrag: „Der gewerkschaftliche Rechtsschutz vor dem EuGH“
Doch nicht nur vor dem Bundessozialgericht waren das Centrum und sein Vorgänger, die Bundesrechtsstelle, erfolgreich, wie der anschließende Vortrag von Prof. Dr. Ninon Colneric eindrucksvoll belegte.
Die ehemalige Richterin am EuGH konnte insgesamt 25 Verfahren aufführen, in denen die gewerkschaftlichen Vertreter, unter ihnen die anwesenden Kurt Leingärtner, Klaus Lörcher und Rudolf Buschmann schon seit den achtziger Jahren aufgetreten sind.
Als ersten Schwerpunkt machte Prof. Colneric zunächst das Recht der Wanderarbeiter aus. Hier geht es regelmäßig um Streitigkeiten, in denen das eine Land Rechte nicht anerkennt, die in einem anderen Land erworben wurden, wie einen Berufsabschluss oder eine sozialrechtliche Anwartschaft.
Zum zweiten sei später das Recht der Gleichbehandlung hinzugekommen. Hier hob Prof. Colneric besonders die sog. Bilka-Entscheidung hervor, in der der EuGH einer Verkäuferin recht gegeben hatte, deren Teilzeitbeschäftigung bei der Betriebsrente nicht berücksichtigt worden war. Durch diese Entscheidung sei die Rechtsfigur der mittelbaren Diskriminierung erstmals auch in Deutschland ins allgemeine Bewusstsein gerückt.
Der dritte Schwerpunkt sei schließlich das Betriebsübergangsrecht. Erst in diesem Jahr habe das Centrum in der Asklepios-Entscheidung erwirkt, dass dynamische Bezugnahmeklauseln in Arbeitsverträgen auch nach einem Betriebsübergang weitergelten und damit die Rechte der Beschäftigten gestärkt (Gewerkschaftliches Centrum gewinnt vor dem Europäischen Gerichtshof).
Vortrag: „Geschichte des centralen gewerkschaftlichen Rechtsschutzes“
Rudolf Buschmann, der die beiden ver.di-Mitglieder im Asklepios-Verfahren vor dem EuGH vertreten hatte, setzte mit seinem Vortrag zeitlich noch früher an. Er schlug einen weiten Bogen von der Bismarck`schen Sozialgesetzgebung bis in die Gegenwart und Zukunft.
In Folge der Sozialgesetze sei es notwendig geworden, die dort statuierten Rechte der Beschäftigten auch durchzusetzen. Und dies auch in der obersten Instanz, dem Reichsversicherungsamt in Berlin. Die Antwort der Gewerkschaften bestand in der Gründung des Centralarbeitersekretariats, das diese Aufgabe wahrnahm. Später war es auch verstärkt publizistisch tätig.
Als prägende Köpfe nannte Buschmann Gustav Adolph Bauer, Herrmann Müller-Lichtenberg, Robert Schmidt und Rudolf Wissell. Sie alle stammten aus der Arbeiterschaft, hatten nicht studiert sondern sich ihr Wissen autodidaktisch angeeignet. In der Weimarer Republik waren sie als Kanzler und Minister an führender Stelle tätig.
Das Centralarbeitersekretariat wurde, wie die Gewerkschaften insgesamt, von den Nazis zerschlagen. Nach dem Krieg wurden neue Strukturen geschaffen, zum einen durch Gründung der Zeitschrift „Arbeit und Recht“, zum anderen durch die Einrichtung der Bundesrechtsstelle.
Im Vorgriff auf die bevorstehende Postulationsfähigkeit wurde dann 2007 das Gewerkschaftliche Centrum für Revision und Europäisches Recht gegründet. Buschmann bezeichnete dieses als „führende Organisation zur Vertretung von Arbeitnehmerinteressen vor BAG, BSG, BVerfG und europäischen Gerichten“. Die Schaffung des Centrums könne man uneingeschränkt als Erfolgsgeschichte bezeichnen.
Ausklang
Zum Abschluss der Festveranstaltung trug Peter Voigt vom Hauptvorstand der IG BCE, der durch das Programm geführt hatte, das von Rudolf Buschmann verfasstes Gedicht „Leitbild oder Das Lied vom Centrum“ vor. Das Lied ist auch in der Jubiläumsschrift „Völker, hört die Centrale für Revision und Europäisches Recht - 10 Jahre Gewerkschaftliches Centrum für Revision und Europäisches Recht“ veröffentlicht.
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Veranstaltung konnten anschließend ein Exemplar der Jubiläumsschrift mitnehmen, die die Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Centrums zu diesem Anlass herausgegeben haben.
Die Veranstaltung klang anschließend bei Kaffee und weihnachtlichem Gebäck in den Räumlichkeiten des Centrums aus. Als weiteres Highlight wurde eine Fernsehdokumentation aus dem Jahre 1987 zum oben genannten „Bilka-Fall“ gezeigt, in der die Klägerin und der Prozessvertreter zu Wort kamen. Den wichtigsten Satz, der zugleich die gesamte Veranstaltung programmatisch zusammenfasste, sprach dabei die Klägerin: „Ohne meine Gewerkschaft hätte ich das nie geschafft!“